Recht häufig werde ich gefragt, wie viele Kilometer ich am Tag zurücklege. Ich weiß mittlerweile, dass meist große Zahlen die Leute, die diese Frage stellen beeindrucken. Wobei meine ehrliche Antwort, abhängig von der Formulierung, einen sehr unterschiedlichen Eindruck hinterlässt.

Also ziemlich beeindruckende Wirkung erzielt die Antwort „Es können schon mal 150 Kilometer werden.“

Etwas Irritation erzeuge ich mit „zwischen 10 und 150.“

Geradezu enttäuschte Gesichter sehe ich auf den Satz „Im Durchschnitt dürften es ca. 50 km sein.“ Was mehr geraten als geschätzt ist und es wäre, bei aller Liebe zu exakten Zahlen, auch recht kompliziert, die Tage genau rauszurechnen an denen ich gar nicht gefahren bin und wie rechnet man die Fahrten ohne Gepäck an Pausentagen…

Irgendwas ist immer, was die Kilometerleistung, in der einen oder in der anderen Richtung beeinflusst.

Rückenwind, eine für Radler sehr seltene und äußerst ungewöhnliche Erscheinung gehört auch schon mal dazu. Die meisten Beeinflussungen bremsen allerdings. Aber längst nicht alles was meine Kilometerleistung runter drückt ist schlecht oder kommt mir ungelegen. Meist begrüße ich es sogar.

Weder habe ich meine Tour mit dem Vorsatz geplant eine bestimmte Kilometerleistung täglich zu fahren, noch weiß ich morgens, wo ich am Abend sein möchte. Ich habe mir den Vorsatz gemacht, immer so zu fahren, dass ich abends noch in bester körperlicher Verfassung bin. Den Tag beende ich rechtzeitig, so dass ich eigentlich noch lange weiterfahren könnte. Es macht keinen Sinn wenn ich abends müde, leergefahren und hungrig mein Zelt aufbaue. Im Normalfall muss ich dann noch kochen, Wäsche waschen und vielleicht noch irgendwas reparieren. Wenn ich am Ende meiner Kräfte feststelle, dass mein Kocher heute nicht funktioniert kann die Stimmung ganz leicht in den Keller gehen und ich muss in der Lage sein, die dann erforderlichen Reparaturen in Ruhe durchzuführen und nicht hungrig, müde und dadurch bedingt dann auch schnell gestresst.

Ich bin hier, um Land und Leute kennen zu lernen und wann immer sich eine Gelegenheit dazu bietet möchte ich sie ergreifen. Wenn eine solche Gelegenheit nach 10 Kilometern angeflogen kommt, kann das ganz leicht meinen Drang vorwärts zu kommen bremsen. Das soll es auch! Schließlich reise ich, um etwas zu sehen, zu lernen und zu erleben. Es gibt auch reichlich Tage an denen ich mich keinen Meter auf dem Rad bewege und das sind nicht die schlechtesten.

Radfahren ist Nebensache! 

Wenn ich mich an all den faszinierenden Orten nicht so lange aufgehalten hätte wie es mir sinnvoll erschien, um den Ort zu erfassen. Wenn ich all die netten und interessanten Menschen, die mir so viel zu erzählen hatten, nur nach dem Weg gefragt hätte und ihnen nicht die Möglichkeit gegeben hätte mir ihre Geschichte zu erzählen, also den Teil, den sie mir erzählen wollten. Wenn ich einen Zeit- oder einen Streckenplan haben würde und auch noch versuchen würde diesen einzuhalten, dann wäre mir unendlich viel entgangen. Eigentlich bin ich noch viel zu schnell unterwegs. Vieles lasse ich unbeachtet links und rechts des Weges, vieles registriere ich gar nicht und viele kleine Abenteuer und Erfahrungen entgehen mir so. Das lässt sich nicht vermeiden, aber vielleicht wartet ja hinter der nächsten Kurve was ganz tolles auf mich.

Die schönsten Erlebnisse entstehen meist durch ein zufälliges Zusammentreffen mit anderen Menschen und keiner kann sagen wo man wann sein muss, um jemanden zufällig zu treffen. Ich kann nicht viel tun, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Aber ich kann den kleinen und großen Abenteuern, den überraschenden Erlebnissen und neuen Erfahrungen eine Chance geben mich zu treffen, indem ich mich möglichst viel auf unbekannten Strecken bewege….. aber eben nicht zu schnell, sonst fahre ich noch dran vorbei.