Der Wind hat über Nacht gedreht und kräftig zugelegt. Jetzt weht es ganz ordentlich direkt in meinen Zelteingang. Zudem regnet es ein wenig. Das Zelt verlasse ich in voller Montur. Wanderstiefel (weil Hochlandetappe), warme Socken, Hose, Regenhose (an den Fußgelenken mit den Reflektorbändern festgebunden damit sie nicht “rumschlabbert” und mir wieder die Pumpe abreißt), T-Shirt, langes T-Shirt, Power Stretch Pulli, Weste, Schalschlauch, Regenjacke, Handschuhe (schon hier im Zelt ist es empfindlich kalt), Latex Handschuhe aus der Erste Hilfe Tasche drüber (Tipp von Michael, Geschirrhandschuhe habe ich leider nicht dabei), Base-cap gegen den Regen, die Mütze von der Regenjacke drüber und gut zuziehen. So verpackt bemerke ich das Wetter kaum noch und mache mich rundum zufrieden auf den Weg… gegen
den Wind.

Eine israelische Großfamilie kommt mit einem Jeep an mir vorbei, sie wollen sehr genau wissen wie ich das hier mache, wo ich schlafe, was ich esse und trinke, was ich anhabe usw. Sie laden mich ein meine nächste Radtour in Israel zu machen, da wäre es nicht so kalt und ungemütlich.

Der Wind wird immer stärker, wir haben 2 Grad und ich wünsche mir wärmere Handschuhe. Das Wetter kann ich in dieser Verkleidung prima ignorieren, meine eiskalten Finger nicht. Schade, die Handschuhe sind für diese Situation
eindeutig “falsch bemessen”. Auf dem Weg finde ich eine Rolle sehr stabile Alufolie, solcher Müll hat hier natürlich nichts verloren. Aus der Folie improvisiere ich mir Wind- und regenabweisende wärmende Überzüge für meine Hände. Ich bin selber überrascht wie großartig das funktioniert. Die Hände sind wieder warm, ich kann trotzdem bremsen und schalten und sie scheinen nicht kaputtzukriegen zu sein. Und ganz nebenbei habe ich so den hier rumfliegenden Müll noch weggeräumt.

Der Wind nimmt immer weiter zu, ich stecke meine Tagesziele immer weiter zurück. Hveravellir ist schon lange raus, die
Rettungshütte Arnabaeli liegt auch schon bald in unerreichbarer Entfernung. Áfangi ist jetzt mein Tagesziel. Das Zelt hat in Norðurfjörður und vor Laugafell schon einigen Wind überstanden, aber der Wind heute ist deutlich heftiger, wenn möglich möchte ich den Windlast-Lebendversuch ein ander mal machen.

Wenn der Wind von der Seite kommt schafft er es mich seitlich über die Schotterstraße zu schieben während ich schräg gegen den Wind gelegt langsam nach vorne fahre. Ich bin schon ein wenig stolz, aber auch überrascht dabei nicht Umgeworfen zu werden. Allzu oft tue ich mir das nicht an, gebe mich geschlagen und schiebe mein Rad weiter gegen den Wind.

Auch das Schieben wird zunehmend anstrengender. Als der Wind mich schliesslich neben dem Rad stehend fast umwirft akzeptiere ich, dass ich auch Áfangi nicht mehr erreichen werde. Neben der Straße finde ich glücklicherweise einen
einigermaßen windgeschützten Platz und fange an das Zelt aufzustellen. An der Straße hält ein Wagen (nach dem israelischen Jeep der zweite den ich heute zu sehen bekomme). Der Fahrer meint, dass es heute keine gute Idee ist zu
zelten… Schlaumeier! So weit war ich schon vor Stunden! “The wind will fresh up, during the Night!” meinen die Leute aus dem Wagen “Der Wind soll über Nacht aufrischen!” – Spitze, wo ich jetzt schon kaum noch stehen kann! Deswegen sind sie hier überhaupt unterwegs. Sie arbeiten für ein Wasserkraftwerk und haben hier auf der Strecke irgendwelche Anlagen zu kontrollieren. Sie laden mich ein und fahren mich gut 25 km bis zur Rettungshütte.

Ich sage ihnen, dass ich extra den Wetterbericht vorher gelesen habe damit mir so was nicht passiert. Sie sagen nur “Das Wetter wechselt schnell in Island.” ……

In der Rettungshütte fühle ich mich nur bedingt wohl zumal sie von meinen Vorgängern nur bedingt gut behandelt wurde, auf einige bin ich stinksauer. Aufgeschnittene Betten und ein als “Nottoilette” missbrauchter Kochtopf müssen nicht sein und auch wenn man auf den Deckel schreibt “Emergency toilet be careful” und einen Smily dahinter malt wird das nicht lustig. Auch braucht man seinen Müll nicht in der Hütte abzuladen.

Aber schlafen kann ich hier windgeschützt und trocken.

Jörg 03.09.2007

raus aus dem Wind

Rettungshütte Arnabaeli

Rettungshütte Arnabaeli

Rettungshütte Arnabaeli