Norröna


Das Frühstück an Deck der Norröna mit Urs und Ghislain  wird bis zur Ankunft in Bergen um 17:00 Uhr ausgedehnt. Wir haben reichlich Gesprächsstoff und sie haben noch ein paar Tipps für mich weil sie auf dem Weg nach Island einen Zwischenstop in Bergen gemacht haben.Urs und Ghislain

Bergen

Früh am Morgen erreichen wir Tórshavn, die Hauptstadt der Färöer Inseln. Der Hafen liegt in dichtem Nebel, was sich auch während unseres mehrstündigen Aufenthalts hier nicht ändert. Für die Gäste, die mit der Norröna eine Kreuzfahrt machen ist das bestimmt nicht sonderlich schön. Die Norröna fährt im Moment die Strecke Hanstholm – Bergen – Tórshavn – Seyðisfjörður – Tórshavn – Bergen – Hanstholm. Ich habe ein paar Gäste getroffen, die von Bergen nach Bergen unterwegs waren. So hat man dann in einer Woche Dänemark, Färöer, Norwegen und Island besucht.

Hier in Tórshavn steigen Heute ungefähr 80 russische Fischer zu. Sie haben die letzten acht Monate auf einem Fischtrawler gearbeitet und sind jetzt auf dem Weg nach Hause. An Bord kommen sie anscheinend zum ersten Mal seit acht Monaten wieder an Alkohol. Nach und nach mehren sich die Schäden in den Waschräumen an Bord. Abends im Viking Club können wir am Nachbartisch beobachten wie sie untereinander in Streit geraten und eine recht zünftige (aber irgendwie doch noch freundschaftliche) Kneipenschlägerei anfangen. Tische und Stühle fliegen umher und sie fliegen anschließend aus der Bar obwohl sie sich eigentlich schon wieder beruhigt hatten. Russen prügeln sich gerne wenn sie betrunken sind, Isländer tun das wohl auch wie mir glaubhaft versichert wurde. Das ist völlig normal und es passiert wohl auch selten etwas wirklich Schlimmes. Meine Zimmergenossen haben sich ein neues Zimmer geben lassen, der heiratswütige hat jetzt die Fischer mit auf dem Zimmer und ist auch umgezogen… sagen wir es ist Bewegung auf dem Schiff. Ich habe mich schon gestern auf dem Gang neben dem Aufzug einquartiert, genau an der Stelle haben auf der Hinfahrt zwei bayerische Motoradfahrer gelagert. Der Platz ist echt Klasse. Beim nächsten Mal versuche ich direkt diese paar Quadratmeter Gang zu buchen.

Tórshavn im Nebel

Tanzvorführung im Viking Club

Tanzvorführung im Viking Club

Meine Kabine :-)

In der noch von der Hinfahrt gut im Gedächtnis gebliebenen, bienenwabenähnlichen Liegekabine treffe ich nach und nach meine Zimmergenossen. Ein Elektriker, der acht Jahre gearbeitet hat und ein Sabbatjahr machen wollte das ihm verwehrt wurde. Kurzentschlossen hat er daraufhin seinen Job gekündigt und ist nach Hanstholm zum Kitesurfen gefahren. Dort hat er sich spontan nach Island eingeschifft. In Island hat er dann eine Anhalterin mitgenommen, sich von ihr zu einer Woche Arbeit auf einer Schaffarm übereden lassen und ist jetzt mit dieser Anhalterin auf dem Weg zurück nach Hanstholm. Die Anhalterin ist gebürtige Russin und von Moskau bis Hanstholm getrampt und dann mit der Norröna nach Island gefahren um dort zuerst irgendeinen Fjord von Unrat zu reinigen und anschließend auf verschiedenen Schaffarmen zu jobben. Sie ist jetzt auf dem Weg zurück nach Moskau. Ein “Trendsportler” der sein Leben damit verbringt Motorcross, Mountainbike und Kajak zu fahren, Gleitschirm und Drachen zu fliegen und auf auf Berge zu klettern. Er hat irgendwann mal Geographie studiert und jobt gelegentlich als Reiseleiter. Ein Motorcrossfahrer der in Island ein Rennen organisiert, gefahren und gewonnen hat und jetzt auf dem Weg zurück ist. Dann ist da noch ein Italiener, der nur kurz seine Sachen ablegt und sich nicht auf die “Interviewfragen” der sehr kommunikativen und redseligen Russin einlässt. Als weiterer Gast betritt eindrucksvoll, raumfüllend, “scheinbar?” schlecht gelaunt und ohne ein Wort der seltsame Mann aus Seyðisfjörður die Kabine. Er wuchtet seinen massigen Körper auf eine der mittleren Liegen und stimmt schon knapp zwei Minuten später ein rohrbruchartiges Schnarchkonzert an. Ich werde es mir wohl wieder irgendwo auf den Gängen des Schiffes gemütlich machen. Die Anhalterin, trifft dann noch einen Mann den sie in Island kennengelernt hat und der sich ganz fest in den Kopf gesetzt hat sie zu heiraten. Nachdem er mich einmal mit ihr gesehen hat werde ich in den nächsten Tagen gewissermaßen zu seinem bevorzugten “Ansprechpartner”. Mal fragt er etwas aggressiv nach ihr, mal schwärmt er von ihr, mal jammert er ein wenig über dies und das, manchmal kann ich ihn auch einfach nicht mehr verstehen, weil er zu betrunken ist um deutlich zu sprechen. Sie macht es noch besonders spannend und berichtet geradezu grausige Geschichten von ihm.

Ich verbringe den Abend im Viking Club mit Urs und Ghislain. Die beiden Schweizer sind in den letzten 4 Monaten durch verschiedene Europäische Länder gereist. Die meiste Zeit haben sie in Island verbracht. Die beiden sind sehr angenehme Gesprächspartner und wir genießen gemeinsam den Abend in der Bar, trinken Bier und schauen uns die täglich stattfindende Tanzvorführung an. Nicht schlecht was einem hier an Bord so alles geboten wird.

Abfahrt

eingereiht

Norröna

Tanzvorführung im Viking Club

Tanzvorführung im Viking Club

Auf dem Campingplatz treffe ich Josef aus der Schweiz. Ein echtes Original! Er fährt seit 1985 jedes Jahr für drei bis fünf Monate mit seinem alten Schweizer Postfahrrad durch Island. Damit hält er vermutlich irgendeinen Rekord. Ganz sicher hält er nicht den “schnellster Radfahrer Islands” Rekord. Sein Postvelo hatte damals, als er dieses Rad für ein paar Schweizer Franken gekauft hat nur einen Gang. Er hat es umgebaut und fährt seit dem auf drei Gängen. Im höchsten Gang fährt er ca. 9 km/h mit seinem Rad. In den übrigen Gängen fährt er Schrittempo. Genau kann er es mir nicht sagen, einen Tachometer hat er nicht an seinem Rad. Sein altes Zelt ist mit den Jahren undicht geworden. Er hat es komplett mit Panzerklebeband verstärkt, so war es am Ende fast Lichtundurchlässig und ungewöhnlich windstabil. Allerdings auch ungewöhnlich schwer, ca. 20 kg brachte dieses Unikat auf die Waage. Vermutlich das schwerste 1-Personen Zelt das jemals auf einer Radreise in Island dabeigewesen ist. Mittlerweile hat er sich von diesem Unikat getrennt und sich ein neues (leichteres) Zelt zugelegt. Ca. 90 kg. Gepäck hat er aber immer noch dabei. Er hat vermutlich jede Straße Islands mit dem Rad befahren. Die Hochlandstrecken hat er allerdings zu einem großen Teil ausgelassen. Nur die Kjölur hat er befahren, allerdings zu einer Zeit als die Strecke noch längst nicht so gut ausgebaut gewesen ist wie heute. Damals musste er noch zwei oder drei Furten auf der Strecke bewältigen. Er reist wirklich sehr bewusst und langsam durch Island. Für höhere Pässe plant er manchmal drei Tage ein, wenn er längere Strecken schieben muss baut er die linke Pedale ab damit sie ihn beim Schieben nicht behindert. Er liebt die isländische Landschaft, das Wetter und die Menschen hier. Dieses Jahr hat er sich von seinem geliebten Postvelo getrennt und hat Island mit einem kleinen Auto bereist. Sein Fahrrad steht seit gestern im Technikmuseum von Seyðisfjörður. Es steht nicht in den normalen Ausstellungsräumen. Das Rad finde ich in einer Art Werkstatt, die zum Museum gehört.

Das Rad und die teilweise fest angebauten Fahrradtaschen scheinen nur noch durch Klebeband zusammengehalten zu werden. Diverse Besonderheiten und Speziallösungen fallen mir bei der Begutachtung des Rades auf. Unter der linken Pedale ist ein mit Klebeband befestigter schwerer Klotz angebracht. Ich habe keine Idee wofür das gut sein soll. Josef erklärt mir später am Campingplatz dass dieser Klotz einfach ein Stein ist der nur dafür da ist die Pedale unten zu halten wenn er das Rad kurzzeitig schieben muss, bei längeren Strecken wird die Pedale abgeschraubt.

Josef ist ein sehr herzlicher Mensch der scheinbar sehr viel Lebensfreude aus seinen Islandbesuchen mitnimmt. Ich bin mir sicher, dass er eine Reisebekanntschaft ist mit der man Kontakt hält über viele Jahre. Langsamen Kontakt allerdings, da man auf die elektronische Post verzichten muss und sich mit ihm nur per Brief oder Grußkarte austauschen kann.

Neben meinen Gesprächen mit Josef verbringe ich viel Zeit in der Bibliothek. Dort erfahre ich von der Angestellten einiges über die isländischen Sagas und in dem Zusammenhang über die isländische Genealogie. Das Interesse der Isländer an Ahnenforschung – an Genealogie – ist so groß, wie sonst nirgendwo auf der Welt. Jeder Isländer kann seinen Stammbaum bis zur Besiedelung Islands zurückverfolgen. Eine Vorfahrin der Bibliothekarin z.B. wurde um 930 n.Chr. in Norwegen von einem reichen Isländer gekauft. Die Norweger hatten sie aus Irland entführt und auf dem Sklavenmarkt verkauft.
In Bibliotheken fühle ich mich mittlerweile richtig wohl. Leider nicht nur ich. Hier in Seyðisfjörður treffe ich auch einen unangenehmen Menschen der alle Menschen um ihn herum ignoriert und stumpf wirkt wie ein Tier. Zwei Schweizer, die mich auch auf der Überfahrt begleiten werden, haben ihn schon in auf einem Campingplatz in Island getroffen. Sie sind sehr überrascht, dass er es von dort nach Seyðisfjörður geschafft hat. Er wirkt immer so, als würde er sich nie wieder von der Stelle bewegen. Sie berichten mir, dass er einen Tag vor seinem Zelt gelegen hat und einen anderen Tag in einem Kaffee ein Telefonbuch druchgeblättert hat….

Hier geht es mir ähnlich. Immer wenn man ihn sieht, denkt man unweigerlich, dass er diesen Platz nie wieder verlassen wird. Keiner versucht auch nur ein Wort mit ihm zu reden, jeder geht ihm aus dem Weg. Nur Josef, in seiner menschenfreundlichen und herzlichen Art geht auf ihn zu und möchte mit ihm reden. Sogar Josef prallt ab, an einer Mauer aus Ignoranz und Desinteresse. Er scheint keinerlei Interesse mehr an Sozialkontakt mit Menschen zu haben.

Die Norröna ist heute schon in Seyðisfjörður angekommen und dominiert den Ort. Allerdings wirkt sie ihrerseits klein und unbedeutend zwischen den gewaltigen umgebenden Bergen. Ich stelle fest, dass ich Island nur sehr ungerne verlasse. Gerne würde ich noch eine Weile hier bleiben, vielleicht auch den ganzen Winter hier verbringen. Das ich wiederkomme steht fest, vielleicht schon im nächsten Jahr.

Josef

Norröna

Technikmuseum in Seyðisfjörður

Das Postrad von Josef

das Postrad von Josef

Josef

Am vorläufigen Ziel meiner Träume angekommen!
Nach zwei Bier gestern Abend und einer viel zu kurzen Nacht in der viel zu warmen und schlecht belüfteten Kabine, in der ich leider keinen Schlaf gefunden habe, schleppe ich mich und mein Rad mit Kopfschmerzen von Bord. Herrlicher Sonnenschein, kalter Wind und ein traumhafter Blick auf die Berge begrüßen mich. Um aus Seyisfjörður herauszukommen, muss der Pass nach Egilsstaðir bezwungen werden. Die Alternative wäre eine Fähre nach Bakkagerði, die geht aber erst in zwei Tagen.

620 Höhenmeter auf den ersten 14 km bei herrlicher Aussicht und empfindlich kaltem Wind. Die nächsten 10 km gehen wieder fast auf Meereshöhe runter. Von Egilsstaðir starte ich nach langer Pause und viel Kaffee meine Fahrt in Richtung Hallormsstaður. Ich verzichte auf das Zelt und schlafe unter bewölktem Himmel direkt am Ufer des Lögurinn/Lagerfjólt. Hier im See lebt die Isländische Version von Nessie, ich habe den Wurm aber leider nicht zu sehen bekommen. Ich habe das Gerücht gehört, dass der Loch Ness und der Lagerfjólt durch unterirdische Tunnel verbunden sind und wenn ich den Wurm hier nicht zu sehen bekommen habe, dann kann es sein, dass er gerade in Schottland ist.

Jörg on Tour in Seyisfjörður

Die Islandradler von der Norröna

Seyisfjörður

Egilsstaðir

erstes Nachtlager in Island

Es geht wieder auf die Fähre nach Island, diesmal habe ich ein komfortables 6 Bett Zimmer. Die Kabine ist genauso groß wie die 9 Bett Kabine von der ersten Fahrt, es fehlen nur 3 Betten… Was für ein Luxus. Die Fahrt, vorbei an den vielen Inseln beim Verlassen von Tórshavn, ist bei blauem Himmel und ruhiger See ein eindrucksvolles Erlebnis. Die Felsen sehen mit jedem Meter den das Schiff gefahren ist noch interessanter und gewaltiger aus.

Färöer

auf der Norröna beim verlassen der Färöer

auf der Norröna beim verlassen der Färöer

auf der Norröna beim verlassen der Färöer

auf der Norröna beim verlassen der Färöer

Ein Abend unter Reiseradlern auf der Norröna

Auf Færoer angekommen habe ich, mit der Absicht mich hier zwei Tage auszuspannen auf dem Campingplatz in Tórshavn eingerichtet. Bei strahlendem Sonnenschein habe ich die Stadt und die unmittelbare, wunderschöne Umgebung erkundet. Die Landschaft ist atemberaubend schön. Ich bin mir sicher hier noch mal hin fahren zu wollen und dann mehr Zeit mitzubringen. Hier auf Færoer gibt es Hubschrauber die fast wie Busse nach Fahrplan von Insel zu Insel fliegen und Passagiere mitnehmen. Hier kann man vermutlich in ganz Europa die preiswertesten Hubschrauberflüge machen, auch wenn die kürzeste Strecke dann auch nur 5 Minuten dauert. Die kürzeste Strecke kostet ca. 12 Euro.

Sonnenuntergang vor Torshavn

Torshavn

Torshavn

Jörg in Torshavn

verwinkelte Gassen in Torshavn

Auf dem Campingplatz in Torshavn

Bachlauf bei Torshavn

Hier die Spielanleitung für “Kniffel Deluxe”

In Abwandlung des normalen Kniffel-Spiels:

Jeder Spieler spielt gewissermaßen gleichzeitig 3 Spiele. Das erste Spiel wird von oben nach unten gespielt, also zuerst die Einser dann die Zweier usw.. Das zweite Spiel wird von unten nach oben gespielt, zuerst die Chance, dann ein Kniffel usw.. Das dritte Spiel wird normal gespielt, man kann sich aussuchen was gerade am besten passt. Man spielt alle drei Spiele gleichzeitig. Also kann man immer nach dem dritten Wurf entscheiden, ob man einen Eintrag in der ersten oder zweiten Reihe an der gerade erforderlichen Stelle machen möchte, oder in der dritten Spalte eines der offenen Felder ausfüllt.

Eine weitere Besonderheit ist das Drehen der Würfel. Jeder Spieler darf wie üblich dreimal würfeln. Der erste Wurf verläuft normal. Beim zweiten Wurf darf der Spieler einen Würfel drehen (aus 1 wird 6, 2->5, 3->4, 4->3,5->2,6->1). Beim dritten Wurf muss ein Würfel gedreht werden. Am Ende werden alle Punkte aller drei Spiele zusammengezählt.

Kniffel Deluxe auf der Norröna

Kniffel Deluxe Spielblatt

Vor der Fähre treffe ich auf eine Frau die für ein Jahr nach Island fährt und dort isländisch studiert. Eine Amerikanerin, die in ihrem Leben schon mal 13 Jahre lang um die Welt gesegelt ist und jetzt gerade eine Art Europarundreise mit 14 Tagen Island und 10 Tagen Grönland macht, hauptsächlich um Vögel zu sehen. Einen Surfer, der aus Dresden über das Wochenende mit dem Auto nach Hanstholm gefahren ist, um die fantastischen Wellen hier mitzunehmen. Dazu unzählige, abenteuerlich ausgestattete Jeeps und Motorräder und ein paar Radfahrer. Jiri, er ist nur eine Woche auf Island, fährt dann weiter zu den Schettlandinseln, von dort nach Schottland, von dort nach … was weiß ich. Er macht eine halbe Europareise in fünf Wochen. Dann noch die deutschen Radfahrer Nicole, Ronald, Matthias und Steffen. Alle wollen ins isländische Hochland und haben zum Teil auch schon Erfahrung damit.

Meine Kabine ist beeindruckend eng. Bisher habe ich nur Japanern zugetraut auf so wenig Raum 9 Menschen unterzubringen. In meinem Fall sogar 10, da die Familie, die unter anderem die Kammer mit mir teilt, noch ein kleines Baby dabei hat, das noch ohne eigenes Bett auskommt. Meine Liege ist ganz oben und ich habe, wenn ich es geschafft habe hoch zu klettern und reinzukriechen und mich auf den Rücken zu drehen, ca. 15 cm Platz zwischen meiner Nase und der Decke. Meine Kabine liegt direkt unter den Autodecks.

Gute Nacht.

HanstholmAm Hafen von Hanstholm

Einchecken in die Norröna mit bepackten Reisemotorrädern

Einchecken in die Norröna mit bepackten Reiserädern

meine Liegekabine

Jörg auf der Fähre nach Island