Vík


Der Bus kommt erst recht spät am Tag, mir bleibt viel Zeit das schöne Örtchen Vík bei gutem Wetter zu genießen. Die Sonne scheint, es ist warm und es weht kein Lüftchen.

Der Busfahrer schaut sich mein Rad und mein Gepäck an und meint “Ich kann Sie mitnehmen, aber nicht das Rad.” Das meint er ernst, das ist kein Scherz. Ich erkläre ihm unmissverständlich, dass ich mein Rad ganz sicher nicht hier stehen lasse und es dann doch noch mal mit dem Rad versuchen werde nach Höfn zu kommen. Der Bus, ein kleiner VW-Bus, ist wirklich ziemlich voll, aber natürlich kriegen wir das Rad doch noch hinein. Der Busfahrer benimmt sich so, als sollte ich ihm dankbar sein. Das kann er vergessen.

Das “Nichst” auf dem Weg nach Höfn ist schon faszinierend, aber es verändert sich auf den ca. 270 Kilometern nur unwesentlich und es sind ziemlich lange Teilstücke dazwischen auf denen man mit dem Rad vermutlich gar nicht mehr merkt, dass man sich vorwärts bewegt. Das ganze mit ein wenig Wind gewürzt und am besten bei Nebel und Regen und die Strecke kann zu einer ziemlichen Belastungsprobe werden, vor allem für die Psyche.

Am Jökulsárlón möchte ich anhalten, um wenigstens ein Foto von diesem wunderbaren Gletschersee zu machen. Der Busfahrer hat da überhaupt keine Lust zu, ich bestehe hartnäckig darauf und ich glaube man muss dunkle von Blitzen durchzogene Gewitterwolken über meinem Kopf sehen. Er gibt schließlich nach, hält an und gönnt mir gnädig drei Minuten für meine Fotos. Die Flammen die mir in dem Moment aus den Augen kommen erlöschen draußen in der Eiseskälte kaum daß ich den Bus verlassen habe. Nach der langen Fahrt unbeweglich im warmen Bus halte ich es hier kaum länger als drei Minuten aus. Der Jökulsárlón ist ein wunderschöner Gletschersee der durch Schmelzwasser des Vatnajökull gespeist wird. Der See wächst ständig und wird sich schon in vielleicht 20 Jahren zum Meer hin öffnen. Der Anblick der auf dem See schwimmenden Eisbrocken ist gewaltig.

In Höfn kommen wir im Dunkeln an, der Fahrer muss jetzt die ganze Strecke nach Reykjavík zurück, so langsam verstehe ich, dass er es so eilig hatte. Ich finde einen geschlossenen Campingplatz, mache mir was zu essen und freue mich morgen wieder radfahren zu können.

Jökulsárlón

Geschlafen habe ich eh nicht heute Nacht, da kann ich dann auch wenigstens früh aufstehen. Das Zelt ist abgebaut und eingepackt und ich mache mich auf den Weg kaum das die ersten Sonnenstrahlen über den Bergen auftauchen. Die Zeltstangen haben sich jetzt so auf die schnelle nicht wieder richtig gerade biegen lassen, da werde ich mir heute Abend nochmal Zeit für nehmen müssen. Auf den nächsten 75 Kilometern rechne mir kaum Chancen aus einen windgeschützten Platz zum Zelten zu finden. Wenn ich dem Wind von heute Nacht ungeschützt ausgesetzt bin brauche ich gar nicht erst zu versuchen im Zelt zu schlafen. Windstill wird es heute ganz sicher nicht werden. Also los und rein in den Kampf.

Der Kampf ist ein Witz. Völlig aussichtslos stelle ich mich gegen den Wind und es dauert nicht lange bis ich mich geschlagen geben muss. Genau an der gleichen Stelle wie gestern geht gar nichts mehr. Wenn der Wind so bleibt und ich den ganzen Tag weiterkämpfe schaffe ich vielleicht 750 Meter – ganz sicher nicht mehr. Selbst wenn ich jetzt hier warte und in die Mýrdalssandur reinfahre sobald der Wind nachlässt habe ich vermutlich nur wenig davon. Ich brauche mindestns zwei Tage “normale” Bedingungen, um erst die Mýrdalssandur und dann die noch längere Strecke durch die Skeiðarársandur zu durchqueren. Mit normalen Bedingungen rechne ich nicht mehr.

Zweimal bin ich jetzt hier zurückgedrängt worden, ich fahre zurück und versuche einen Bus nach Höfn zu kriegen. Matthias hatte mir das schon auf der Norröna empfohlen. Die Fahrt durch die ca. 700 Quadratkilometer große Sandebene und die folgende, noch größere Skeiðarársandur ist wirklich eine wenig abwechslungsreiche Fahrt durch ein nicht enden wollendes Nichts. In Island habe ich die Erfahrung gemacht das “Nichts” ziemlich eindrucksvoll sein kann und ich wollte mir auch dieses “Nichts” mal persönlich anschauen, um mir ein Bild davon machen zu können. Schade, aber bei meinem nächsten besuch in Island bin ich wieder hier! Ganz sicher!

Ich fahre zurück nach Vík. Der nächste Bus fährt glücklicherweise schon Morgen. Immerhin zwei Busse fahren die Strecke von Vìk nach Höfn pro Woche. Mensch hab ich ein Glück!

Camping in Vík

Das Wetter ist gut, es ist warm und die Sonne scheint und der Wind hat nachgelassen. Das muss ich ausnutzen. Ich fahre früh los und verzichte auch auf einen Besuch des aus einer natürlichen heißen Quelle gespeisten Schwimmbades in Seljavellier. Die schroffen Berge und einige an den Fels gebaute, halb verfallene alte Häuser geben gute Motive ab. Ich fahre vorbei am Eyjafjallajajökull und am Mýrdalsjökull, an einigen faszinierenden Wasserfällen und vielen Weiden mit Pferden und Schafen. In Skógar mache ich kurz Station und in Vík hole ich mir schnell noch mal die aktuellen Wetterdaten. Es wird mir weiterhin ein starker Wind ins Gesicht wehen. Das kann ja was geben, jetzt geht es hinein in die Mýrdalssandur. Für die nächsten 75 Kilometer brauche ich nicht mit sonderlich viel Windschutz zu rechnen. Knapp 6 Kilometer hinter Vík merke ich was das bedeutet. Die Berge zu meiner linken hatten mich bisher vor dem Schlimmsten geschützt. Die Berge hören hier auf. Dadurch wird der Wind genau an dieser Kante sogar noch verstärkt. Ich fühle mich wie in einem Windkanal, unerbittlich drängt der Wind mich zurück. Ich komme buchstäblich keinen einzigen Meter mehr vorwärts. Die Geschichten von Radfahrern, die sich flach auf den Boden gelegt haben sollen und sich und ihr Rad festgehalten haben damit weder sie noch ihr Rad weggeweht werden klingen etwas übertrieben. Ich bin geneigt diese Geschichten uneingeschränkt zu glauben. Zurück nach Vík möchte ich nicht. Morgen hat der Wind bestimmt etwas nachgelassen. Ich finde glücklicherweise eine einigermaßen geeignete Stelle im Straßengraben und stelle mich auf eine windige Nacht ein. Der Boden ist gut und fest, aber leider kann ich keine Steine zum Beschweren der Heringe finden. In dieser Nacht finde ich nicht besonders viel Schlaf. Der Wind rüttelt heftig an meinem Zelt zieht immer wieder die Heringe aus dem Boden. Mehrmals in der Nacht muss ich raus um das Zelt neu abzuspannen, nicht alle Heringe die der Wind rausgezogen hat finde ich wieder. Die Zeltstangen werden verbogen und der Reißverschluß wird zweimal in der Nacht aufgerissen. Bei meinen zahlreichen nächtlichen Ausflügen um das Zelt werde ich belohnt mit einem klaren Sternenhimmel und ein paar Polarlichtern, nicht so eindrucksvoll wie in der Werbung, aber immerhin Polarlichter. Na ja, ich habe sie wahrgenommen, aber nicht wirklich genossen.

 

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Kreuzung 1 250 251

begrünte sandurfläche

Wasserfall am Straßenrand

Islandpferde


Die Isländer stellen ihre Kinderwagen (mit Kind) ab und zu mal für eine Weile vor die Tür. Angeblich werden die Kinder damit an die Temperaturen und das rauhe Klima gewöhnt.

Skógafoss
Sógarfoss

fast in Vík

Kirche bei Vík

Zelten am Flugplatz vor der Mýrdalssandur

Sonnenuntergang bei Vík