Reykjavík


Über die “1” möchte ich nicht aus Reykjavík rausfahren. Bei dem starken Straßenverkehrsaufkommen ist das nix für ein kleines Fahrrad. Richtung Selfoss geht es erst mal ein gutes Stück bergauf, es gibt dort keinen Seitenstreifen und das Stück ist reichlich von Lastwagen frequentiert. Ich fahre auf der “42” einen kleinen Umweg nach Selfoss. Das ist zwar etwas weiter, aber bestimmt die schönere Strecke.

Die Straße ist zunächst trostlos. Das Wetter (Regen und Gegenwind) macht es nicht besser. Abgesehen von ziemlich vielen Kipplastern, die an mir vorbeirauschen bin ich alleine auf der Straße. Nachdem ich an dem Schotterabbauplatz vorbei bin bleiben auch die Kipplaster aus. Die asphaltierte Straße hört hier auch auf und das was ich jetzt unter meinen Rädern habe ist grauenhaft. Ich schätze hier ist vor kurzem ein Planierfahrzeug durchgefahren. Der Boden ist weich und durch den Regen noch zusätzlich aufgeweicht. Ich sinke tief ein und kämpfe mich mühsam gegen den anhaltenden Wind vorwärts. Die Landschaft vermittelt mir das Gefühl in einer großen Tagebaugrube bei Regen Rad zu fahren. Das sind fast Hochlandbedingungen, nur nicht so schön.

Ich habe mich über diese Straße überhaupt nicht informiert. Ich habe einfach gedacht, dass in der unmittelbaren Nähe von Reykjavík alle Straßen einigermaßen gut sind. Falsch gedacht!!!

Bei dem Tempo mit dem ich mich hier bewege komme ich heute ganz sicher nicht bis Selfoss. Ob ich morgen ankomme ist mehr als fraglich. Orte gibt es keine auf der Strecke, ich weiß nicht mal ob ich vernünftiges Wasser finde. Der erste See an dem ich vorbeifahre ist derart von durch den Regen eingespülten Sedimenten verfärbt, dass man ihn kaum vom Weg unterscheiden kann.

Als mir ein Pick-up entgegen kommt (der einzige Wagen den ich seit der Schotterabbaustelle gesehen habe) ergreife ich meine Chance. Der Fahrer bestätigt meinen Verdacht, der Straßenzustand ist katastrophal und mit Wasser ist nicht zu rechnen. Wir laden mein Rad auf und er fährt mich zurück nach Garðabær. Der Fahrer rät mir noch dringend davon ab über die “1” aus Reykjavík rauszufahren.

Was jetzt? Morgen nochmal über die “42”, diesmal mit mehr Wasser im Gepäck und auf diese trostlose Gegend und die schlechte Straße vorbereitet? Das wär reine Sturheit und würde gut zu mir passen 😉 , aber ich glaube ich bevorzuge diesmal den Bus nach Selfoss.

Zurück an dem Campingplatz gönne ich mir ein Zimmer und verbringe den Abend in sehr angenehmer und anregender Gesprächsrunde mit Balthur (dem Besitzer) und Achim & Britta. Die beiden Weltenbummler erzählen viel von Orten die sie besucht haben und bringen mich auf einige interessante Ideen.

Gestelle zum trocknen von Stockfisch

42

42

Danke

ach, ist das schön

Balthur, Achim und Britta

Nochmal muss ich ein wenig hin und her fahren, um schließlich meine Ersatzzipper in den Händen zu halten. In einer Nähstube lasse ich sie schnell installieren. Die Wartezeit verbringe ich in einem Park in Reykjavìk. Obwohl ich morgens schon um 8:00 Uhr losgefahren bin, schaffe ich es kaum Reykjavìk zu verlassen und übernachte in Garðabær auf einem wunderbaren Campingplatz. So nett und herzlich wurde ich selten empfangen.

Park in Reykjavík

Noch ein wenig Sightseeing und der Versuch meine Ersatzteile fürs Zelt in Garðabær zu bekommen. Wie gewohnt in solchen Fällen bleibt es beim Versuch. Keiner in dem Laden weiß irgendetwas von der Lieferung und die Frau mit der ich Mail-Kontakt hatte ist gerade in Urlaub.

Höfði
Höfði – irgendwie muss ich immer wenn ich dieses Haus sehe an die Villa Kunterbunt denken. Keine Ahnung warum das so ist.
Hier fanden sich 1986 Ronald Reagan und Michail Gorbatschow zu einem Gipfeltreffen ein.

Sólfar
Sólfar (Sonnenfahrer)

Superjeep

Laugarvegur

Hallgrimskirkja
Hallgrimskirkja
Leifur Eriksson
Leifur Eriksson

Die Wanderwegmarkierungen können wir leider nicht ausbessern. Über Nacht ist der Winter überraschend eingefallen. Der Schnee auf der Straße ist hart gefroren und wir kommen mit dem Allradjeep nicht mal bis zum Ausgangspunkt des Wanderweges. Wir gehen das letzte Stück zu Fuß und lassen die Farbeimer im Wagen. Die große, wärmegedämmte Rohrleitung die entlang der Straße verläuft, transportiert Warmwasser von einer heißen Quelle nach Reykjavìk. Diese Warmwasserleitung ist bestimmt 20 km lang und natürlich gibt es auf der Strecke Wärmeverluste, die sind aber nicht so schlimm. Wie man mir sagt soll sich das Wasser sogar ein wenig abkühlen, wenn man den Wasserhahn in Reykjavík aufdreht will sich ja schließlich keiner die Finger verbrennen. Die Erklärung finde ich etwas dünn, schließlich könnte man das Wasser ja auch mit kaltem Wasser mischen, aber vermutlich ist in Island noch keiner auf diese absurde Idee gekommen.

Unsere kleine Wanderung in der, durch den Schnee verzauberten Landschaft ist richtig herrlich. Ich bin sehr froh, dass ich diesen unerwarteten Kälteeinbruch hier erleben durfte. Ich sage das mit einer deutlichen Betonung auf hier. Mit dem Rad hätte ich auf der vereisten Straße heute ganz heftige Probleme gehabt.

435 mit Wasserleitung
Wegweiser

Elfenland
Hier leben jede Menge Elfen

zwei Spuren im Schnee

Mein “Reykjavík Guide” Henrik führt mich auf einer kurzen Sightseeing Tour durch die Stadt. Wir besuchen Perlan, den Warmwasserspeicher der Stadt. Fünf mal vier Millionen Liter etwa 85°C heißes Wasser werden hier in erhöhter Lage auf dem Hügel Öskhuhílð gespeichert. Perlan versorgt zum Beispiel die im Winter beheizten Gehwege und Straßen. Der sechste Tank wurde trocken gelegt und beherbergt jetzt das Saga Museum. Ein Museum über die Geschichte Islands von der Besiedlung bis zur Reformation im 16. Jahrhundert. Vor dem Gebäude wurde ein Springbrunnen errichtet der einen künstlichen Geysir darstellen soll. Es ist aber eben nur ein Springbrunnen bei rumgekommen den man alle paar Minuten ein und wieder ausschaltet. Zwischen den Tanks finden in schnellem Wechsel verschiedene Ausstellungen und Veranstaltungen statt.

Keine fünf Minuten Fahrtzeit von hier besuchen wir den geothermal beheizten Strand in Nauthólsvík. Die Badehosen kommen allerdings nicht zum Einsatz, der Warmwasserzufluss ist abgeschaltet als wir hier vorbeikommen.

Anschließend ziehe ich um und vergrößere so das Chaos in der neuen Wohnung von Jóhanna. Sie ist gestern umgezogen und jetzt komme ich noch mit all meinem Kram und belagere ihre noch gar nicht richtig eingerichtete Wohnung. Abends wollen wir in Reykjavík auf dem Laugavegur eine Kneipe finden und was trinken. Das sollte eigentlich wirklich kein Problem sein. Wir fahren aber schnell noch mal an einer Garage vorbei, um Farbe abzuholen. Mit der Farbe wollen wir morgen Markierungen von einem Wanderweg in der Nähe von Reykjavík ausbessern. Geschickt verteilen wir die Farbe über meine Hose, meine Jacke, auf dem Parkplatz vor der Garage und in ihrem Auto. Wir verbringen den größten Teil des restlichen Abends mit terpentingetränkten Lappen in der Hand. Der Laugavegurbesuch fällt etwas kürzer aus als geplant.

Der Laugavegur ist tagsüber die größte Einkaufsstraße der Stadt. Samstag Nacht wird die Straße zu einer Partymeile und gleichzeitig zu einer Art Catwalk für Autos. Wer seinen aufgemotzten Liebling mal zeigen möchte fährt hier nachts ab etwa 0:00 Uhr die Straße entlang und lässt hören was die Musikanlage hergibt. Ich habe vor meiner Reise gehört in Reykjavík wäre die größte Disco der Welt. Vermutlich ist damit der Laugavegur gemeint.

In der größten Disco der Welt ist der Eintritt frei.

Perlan
Perlan (die Perle)

Perlan
Perlan (Blick aus der Kupel)

Nauthólsvík
Der geothermal beheizte Strand in Nauthólsvík (ganz ungewöhnlich für Island, der Heißwasserzufluss ist abgeschaltet als ich hier ankomme)
Rad beladen

Rad einladen

Über die “361” auf die “36” und dann auf die “1” nach Reykjavík. Es geht fast nur bergab auf allerfeinstem Asphalt. Ein wenig Rückenwind erledigt den Rest. Erwartungsgemäß wird der Verkehr mit jedem Kilometer den ich mich Reykjavík nähere deutlich stärker. Etwa 5 km vor dem Zentrum wird die Straße für mich unbefahrbar. Zwei Mal in kurzer Folge werde ich gleichzeitig von einem LKW mit Anhänger überholt ( mit bedrohlichem Abstand) während ein weiterer LKW rechts von einer zweispurigen Auffahrt kommend (ebenfalls mit minimalem Überlebensabstand) an mir vorbeifährt. Ich verlasse die “1” und suche mir einen anderen Weg ins Zentrum. Übernachten kann ich glücklicherweise bei Henrik, der mich sehr spontan und hilfsbereit bei sich aufnimmt.

Bevor ich zu Henrik fahre, besuche ich noch das Infocenter. Wenn ich Glück habe kann das Paket per Bus vom Infocenter Akureyri zum Infocenter Reykjavík transportiert werden. Ich muss leider erfahren, dass das Paket noch bei der Post in Akureyri liegt und nicht ans Infocenter ausgegeben wird. Nur ich persönlich kann das Paket ausgehändigt bekommen. Irgendwelche Zollgebühren (für Hot-Dogs?) werden auch fällig, aber keiner weiß wie viel. Ich wollte morgen nach Akureyri zum Infocenter und das Paket abholen, morgen ist Samstag, das Paket ist bei der Post und die Post in Island hat samstags geschlossen. Sonntags auch, klar! Am Montag muss ich Ersatzteile für mein Zelt in Garðabær abholen. Das hatte ich schon vor einiger Zeit mit dem Vaude Support so abgestimmt. Am Dienstag möchte ich wieder los, schließlich muss ich noch gut 750 km bis Seyðisfjörður fahren und keiner weiß wie der Wind steht.

Kein Wein, keine Schokolade und natürlich auch keine Hot-Dogs 😉 Mist. Ich telefoniere kurz mit dem Infocenter Akureyri und kriege eine halbe Stunde später eine, geradezu niederschmetternde Mail. Die haben jetzt veranlasst, dass das Paket nach Seyðisfjörður, postlagernd geschickt wird, da könnte ich es ja wohl kaum noch verpassen.

Zumindest das Transportproblem ist damit endgültig gelöst.