Selfoss


Das isländische Wetter überrascht mich heute mit sommerlichen 20°C und Sonne. Im Garmin-Biker-Friseur-Laden lasse ich mir den Kopf rasieren und genieße ansonsten das ungewöhnlich gute Wetter.

Die Münchener haben ein ungewöhnliches Fahrrad dabei. Die Reifen sind ca. 12 cm breit. Selbst für isländische Straßenverhältnisse erscheint mir das etwas übertrieben. Mit dem Rad war er beim “Yukon Arctic Ultra” und hat sich dort an der 300 Meilen Distanz versucht. Der “Yukon Arctic Ultra” ist ein Ultra-Marathon für Mountainbiker, Skilangläufer und Läufer die sich bei bis zu -30°C durch Schnee und Eis und über gefrorene Flüsse kämpfen wollen. Die Teilnehmer schlafen unterwegs im Biwaksack und müssen, wenn sie sich erstmal für einen Schlafplatz entschieden haben innerhalb von maximal 10 Minuten dicht eingepackt in ihrem Biwaksack liegen. Wer länger braucht hat ein Problem den Körper wieder auf gemütliche Schlaftemperatur zu bringen. Das Gesicht wird gut geschützt und dick mit Fett eingerieben damit es nicht zu Erfrierungen kommt. Das Trinkwasser wird im Trinkrucksack unter der Jacke getragen und auch mit in den Biwaksack genommen damit das Wasser nicht einfriert. Für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen Motorschlittenfahrer, die die Strecke ein oder zweimal täglich abfahren.

Um sich auf das Rennen vorzubereiten hat er den ganzen Winter über in München in seinem Biwaksack auf dem Balkon geschlafen. Er ist dann am zweiten Tag beim Rennen leider mit einem Fuß umgeknickt und musste das Rennen abbrechen. Nächstes Jahr ist er vermutlich wieder dabei.

Was sagt man da? Viel Spaß? Auf jeden Fall Viel Erfolg!

Camping in Selfoss

Breitreifenfahrrad
links ein normales Mountainbike, rechts eins für den “Yukon Arctic Ultra”

vor dem Friseur
Allerhöchste Zeit, die langen Zotteln müssen ab!
nach dem Friseur
Schon besser!
Campingküche in Selfoss

Nach dem anregenden Abend gestern mit Balthur, Achim und Britta bin ich etwas versöhnt. Wein, Gespräche und Schokolade wirken recht beruhigend. Das Stück bis Selfoss fahre ich mit dem Bus, nachdem Balthur mich und die beiden anderen nach Reykjavík gefahren hat.

In Selfoss kenne ich mich nun schon aus und fühle mich hier mittlerweile richtig heimisch.

Standardprogramm: Campingplatz, Infocenter, “Kaffi Kries”

Am Campingplatz treffe ich ein Münchener Pärchen die auch mit dem Rad hier in Island sind. Die beiden sind erst vor vier Tagen angekommen und haben in der kurzen Zeit schon ihren nagelneuen Anhänger geschrottet. Schuld sind natürlich die isländischen Rüttelpisten, aber vermutlich hat der Anhänger auch einen Konstruktionsfehler gehabt. Sie sind zu zweit und haben es glücklicherweise geschafft das Gepäck auf ihren beiden Rädern zu verteilen.

!!!!!!!!!Ich bin nicht der letzte Fahrradtourist auf Island!!!!!!!!!

Das Münchener Pärchen verlässt Island zwei Tage später als ich. Es ist irgendwie beruhigend nicht der letzte verrückte Sturkopf in Island zu sein. Seit dem 24 August sind die beiden die ersten Reiseradler die mir begegnen.

Kaffi Kries

Kaffi Kries mit Livemusik

Morgens finde ich einen ungefähr Handteller großen Stein in der Zeltapside und ein dementsprechendes Loch in der Zeltwand. Feinde habe ich mir hier eigentlich nicht gemacht.

Nach einer provisorischen Zeltreparatur geht es bei herrlichem Sonnenschein und starkem Wind, natürlich von vorne, Richtung Þingvellier. Das Stück Richtung Þingvallavatn (östlich vom Bíldsfell) ist wunderschön, allerdings sehr sandig. Der sandige Weg in Kombination mit dem Wind bedeutet wieder mal recht häufig Schrittgeschwindigkeit oder schieben.

Am Wasserkraftwerk geht es über die Sog. Dort komme ich mit dem Wasserkraftwerksleitstellenangestellten ins Gespräch. In erster Linie warnt er mich vor…

vor was wohl? Der Wind soll stärker werden zum Abend hin. Es wurde eine Sturmwarnung herausgegeben und er belegt das auch noch mit den entsprechenden Wetterdaten. Eine kurze Führung durchs Kraftwerk ist inbegriffen. Er bietet mir an, mich ein Stück Richtung Þingvellir zu fahren. Für die ca. 20 km bis hier habe ich fast vier Stunden gebraucht. Der Wind nimmt bis heute Nacht ständig weiter zu. Er meint spätestens in zwei Stunden ist an Radfahren wirklich nicht mehr zu denken. Während der Fahrt zeigt er mir die (wie er meint) schönste Gegend in Island. Das ist jetzt schon die dritte schönste Gegend in Island, die mir gezeigt wird. Mal sehen ob ich noch eine finde. 😉

Sein Angebot anzunehmen ist eine gute Entscheidung. Die verbleibenden 10 km, die ich noch radeln muss sind richtig bitter. Ich erreiche einen verwaisten Campingplatz kurz vorm Dunkel werden. Wirklich guten Windschutz finde ich hier leider auch nicht.

Ich habe mir für die gesamte Tour vorgenommen mich auf dem Rad nicht zu verausgaben, zumindest nicht absichtlich. Man weiß ja nie was noch passiert.

Das Zelt bei Wind aufstellen ist OK und wurde in letzter Zeit häufig trainiert. Die einzigen Steine zum Beschweren finde ich ein gutes Stück vom besten (windgeschütztesten) Platz entfernt. Beim Steine schleppen, ich glaube ich bin 10 mal hin und hergelaufen, musste ich noch aufpassen mich vom Wind nicht umwerfen zu lassen. Die Türen zu den Sanitäranlagen sind nicht verschlossen, das ist gut. Wenn man sie einmal geöffnet hat gehört allerdings einiges dazu, diese gegen den Wind wieder zuzukriegen. An meiner Benzinflasche verklemmt sich irgendwie das Rückschlagventil und ich brauche einige Zeit und verschütte eine Menge Benzin bis ich das wieder gerichtet habe. Als ich mich schlafen legen möchte schließt der Reißverschluß am Zelt nicht richtig. Nach langem erfolglosem probieren gebe ich auf, improvisiere eine Notlösung und stelle mich auf eine sehr zugige Nacht ein.

Grauschecken

Die Straße Richtung Efri-Brú

sandig

Wasserkraftwerk

Wasserkraftwerk

Wasserkraftwerk

druch die grünen Rohre kommt das Wasser rein

hier geht das Wasser wieder raus

Þingvellirvatn

36

Camping Þingvellir

Den Tag verbringe ich ähnlich wie gestern. Kurzfristig kommt mir die Idee, mich etwas länger in Selfoss aufzuhalten und dann einen Allradjeep für drei oder vier Tage zu mieten. Damit könnte ich dann nach Seyðisfjörður zurückfahren. Auf dem Weg würde ich dann einen Schlenker über Landmannalauger machen. Eigentlich wollte ich da noch mit dem Rad hin, aber das werde ich dieses Jahr nicht mehr machen. Nach meiner Erfahrung auf der Kjölur habe ich mir das anders überlegt, noch mehr richtig schlechtes Hochlandwetter brauche ich im Moment einfach nicht. Mit Jeep wäre das allerdings noch mal interessant. Die Idee wird aber wieder verworfen… Kaufen wollte ich den Wagen nicht gleich.

Heute mache ich die Bibliothek zu meinem zu Hause. Hier gibt es Kaffee und Internet, Informationen und Bücher im Überfluss. Ich plane meine Rückreise, buche die Überfahrt mit der Norröna nach Bergen in Norwegen, schreibe Reiseberichte, lerne ein wenig isländisch und lese viel in Büchern über Island.

Das Garmin Geschäft entpuppt sich als Friseurladen. Betrieben von Vater und Sohn, der Vater ist begeisterter Schneemobilfahrer, der Sohn ist begeisterter Motorradfahrer. Nebenbei verkaufen sie hier Motorradsachen und eben Garmingeräte.

Garminfriseur

Vater und Sohn die Garmin Friseure

Bei Dauerregen und starkem Wind fahre ich nach Laugarvatn. Hier möchte ich mich mit Bargeld versorgen. Ich habe keine Krone mehr. Leider funktioniert der Geldautomat nicht und ich kriege auch sonst kein Geld hier. Ich möchte eigentlich weiter nach Þingvellier, aber alle sagen, dass ich auch dort keinen Automaten finden werde. Der nächste Geldautomat steht in Selfoss. Das sind ca. 40 km und die natürlich genau gegen den Wind. Die Strecke ist wenig eindrucksvoll zumal ich bei dem starken Regen auch nicht viel davon zu sehen bekomme.

Mein Tempo wird durch den Wind bestimmt, trotz asphaltierter Straße fahre ich selten mehr als 10 km/h – Man gewöhnt sich dran. So lange man in Bewegung und damit schön warm bleibt ist alles bestens.

Auf dem Weg nach Selfoss fahre ich am Krater Kerið vorbei. Kerið ist ein sehr schöner 6500 Jahre alter Schlackekrater bei dem nach dem Ausbruch durch ein Abfließen eines Lavareservoirs unter dem Krater die Lavadecke eingebrochen ist. Den Krater erreiche ich genau in den 20 min. in denen heute die Sonne scheint. Das ist doch mal ein glücklicher Zufall. Kerið darf man nicht kommerziell fotografieren. Ich mache meine Bilder also unkommerziell und fahre weiter.

Eigentlich möchte ich in Selfoss nur Geld holen und mich dann sofort vom Wind Richtung Þingvellier schieben lassen. Ich finde hier aber eine sehr gute und günstige Internet-Zugriffsstelle, einen schönen und günstigen Campingplatz und ein Garmin-Geschäft. In dem Garmin Geschäft kann ich vielleicht meine GPS-Punkte aufbereiten und hochladen. ich entschließe mich erst mal hier zu bleiben.
F337

Laugarvatn

Kerið

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Schmorgurken mit Thunfisch, Zwiebeln und Tomatensoße

Die Landschaft wechselt im Laufe des Tages von dem Birkenwald zu den weiten Feldern mit ca. 25 cm hohen Kriechbirken und Zwergweiden dann zu einer wüstenartigen Landschaft und später zu einer Geröllwüste. Die “Straße” wird auch immer anspruchsvoller, oder nennen wir es interessanter. Mein Durchschnittstempo liegt irgendwo zwischen 5 und 10 km/h, 5 bergauf und 10 bergab, viel schneller kann man sich hier nicht bewegen. Zumindest muss ich keinen Meter schieben das spricht eigentlich für die Straße! An das Wellblechprofil habe ich mich mittlerweile gewöhnt, um mein Rad mache ich mir aber nach wie vor Sorgen.

In Vesturdalur mache ich auf dem Campingplatz ‘kurz’ Pause, um mich zu waschen, leider gibt es dort nur kaltes Wasser. Dafür treffe ich aber ein Deutsches Ehepaar denen der Kocher kaputt gegangen ist. Wir legen zusammen, ich sorge für heißes Wasser und die beiden liefern das Essen. So gut habe ich lange nicht mehr gefrühstückt. Er fotografiert nicht, er malt die Landschaft ab. Dementsprechend langsam kommen die Beiden in ihrem Bus voran.

Vesturdalur ist ein Wanderparadies für Tagesausflüge, die Gegend hier ist wirklich schön und faszinierend.

Von Vesturdalur aus fahre ich weiter zum Dettifoss. Der Dettifoss ist mit ca. 45 m Fallhöhe und durchschnittlich ca. 200 m³/s Wassermenge der mächtigste (energiereichste) Wasserfall Europas. Die Wassermassen unterliegen dabei extremen jahreszeitlichen Schwankungen zwischen ca. 1500 m³/s im Sommer und 65 m³/s im Winter. Der Dettifoss transportiert große Mengen Schutt und Sedimente wodurch das Wasser stark graugefärbt ist und schlammig, dreckig aussieht. Wenn man dem Jökulsá á Fjöllum einige 100 m flussaufwärts folgt kann man noch den, etwas kleineren aber sehr schönen Wasserfall Selfoss bestaunen.

Die Namensgleichheit von dem Wasserfall Selfoss und der Stadt im Süden Islands kann etwas verwirren, aber diese beiden Orte haben nichts miteinander zu tun und liegen an völlig verschiedenen Stellen Islands.

Vesturdalur

Frühstück in netter Gesellschaft

Vesturdalur

Straße zum Dettifoss

Straße zum Dettifoss

Dettifoss

Dettifoss

Selfoss

zelten am Dettifoss