Reykjarfjörður


Ich bleibe heute einen Tag hier, in der Nähe von dem warmen Schwimmbad, Kaffee und Gebäck fühle ich mich so wohl, dass ich auch die Dauerbelästigung durch diese Kampfschwalben ganz gut ertragen kann. Immerhin ist es ja auch faszinierend den geschickten Flugmanövern zu zusehen.

Ich nutze den Tag um meine Sachen zu trocknen, die nächsten Tagesetappen zu planen und mir bei Reimer, der heute auch hier ist, ein paar Hinweise für die weitere Strecke zu holen. Vom Campingplatz aus habe ich die Möglichkeit die Fossadalsheiði zu überqueren oder außen rum zu laufen. Außen rum ist es “more beautiful” direkt rüber soll es “safer” sein und “better to find” vor allem bei schlechter Sicht.

OK, da fällt die Entscheidung leicht. Beautiful war es bisher mehr als genug, was das angeht ist mein Bedarf gedeckt. “Safe” das wäre echt mal angenehm. Mit Nebel und schlechter Sicht rechne ich sowieso. Also werde ich morgen über den Berg gehen. Danach kommt der Bjarnarfjörður, dass ist die zweite Stelle, nach der “Niedrigwasserstrecke” auf dieser Tour die mir etwas Sorgen macht. Auf der Karte sieht das so aus, als ob ich durch den Fjord schwimmen soll, über 500 Meter oder so… Das kann doch wohl nicht so gemeint sein, oder? Reimer beruhigt mich. Das ist eine ganz normale und harmlose Furt, mehr als knietiefes aber langsam fließendes Wasser, nach der Furt im Þaralátursfjörður überhaupt kein Problem. Da das Stück auf der Karte so unglaublich lang aussieht bin ich mir da noch nicht so sicher, aber ich werde es ja zu sehen bekommen.

In Reykjarfjörður gibt es zwei berühmte Steine. Der eine ist berühmt, weil er interessant aussieht (der hat sogar einen Namen), der andere wurde von Mick Jagger angepisst.

Der Campingplatz ist nur per Boot oder auch per Flugzeug zu erreichen. Es gibt eine kleine Landebahn und einen Bootsanleger. Man kann natürlich auch hin wandern oder reiten, aber eine Straße gibt es nicht.

Ragnar Jakobsson führt hier mit seiner Frau im Sommer den Platz. Eigentlich führt sie den Platz und er repariert alles Mögliche was über den Winter kaputt gegangen ist bzw. legt neue Wasserleitungen und er holt immer das Gepäck vom Bootsanleger ab, wenn Reimer wieder mit neuen Campinggästen kommt. Daneben ist er offiziell beauftragter Polarfuchsjäger und jagt Polarfüchse, um die Küstenseeschwalben zu schützen. Die Polarfüchse nehmen in den Westfjorden überhand. Ich persönlich würde eher die Polarfüchse vor diesen aggressiven Kampfvögeln schützen wollen.

Ragnar Jakobsson ist, wie mir von mindestens 4 verschiedenen Leuten gesagt wurde, der erste Mensch der das Horn – also diese 400 Meter hohe Steilküste in Hornbjarg – “von See her kommend” hochgeklettert ist. Damals war er 22 Jahre alt, saß mit seinem Bruder im Ruderboot und meinte: “Ich klettere da jetzt hoch!” Die beiden sind irgendwie an die Klippen gefahren und er ist die 400 Meter hochgeklettert. Ohne Sicherungsleine und in Gummistiefeln. Von ihm konnte ich dazu nichts erfahren, er redet nicht viel, zumindest nicht mit mir, ich glaube er hat mit “Pauschaltouristen” nicht viel im Sinn, ist halt ein echtes Original. Er spricht wohl auch kein Englisch. Seine Frau redet mit mir, spricht aber auch kein Englisch. 😉

Nett und irgendwie besonders sind alle Menschen die ich hier treffe, kein Wunder bei diesem besonderen Ort.

Reimer fährt mit seinem Boot im Sommer die “Orte” Látravík (der wunderbare Leuchtturm), Bolungarvík (das Guesthouse wo keiner war), Reykjarfjörður (der Campingplatz mit dem warmen Schwimmbad) und Drangar (da werde ich wohl noch hinkommen) an und versorgt die Menschen dort mit dem Nötigsten und setzt gelegentlich Wanderer dort aus. Gelegentlich klettert er auch zusammen mit dem zweiten Mann an Bord an den Steilküsten rum. Heutzutage macht man so etwas aber nicht mehr in Gummistiefeln. Im Winter gehen die beiden mit dem Boot fischen.

Rocks in Reykjarfjörður

heißes Schwimmbad in Reykjarfjörður

Reykjarfjörður

Wetterstation in Reykjarfjörður

Küstenseeschwalben sollen geschützt werden, deshalb werden hier die Polarfüchse geschossen. Für jeden Schwanz gibt es 100 Euro.

Küstenseeschwalben sind eine hyperaktive und aggressive Tierart. Die schnattern, schreien, fliegen und kämpfen den ganzen Tag ohne Unterbrechung. Morgens vor 5:00 Uhr geht das Schauspiel los. Ich glaube, die klauen sich im Flug gegenseitig das Futter aus dem Schnabel. Ich habe einen Jungvogel gesehen der schon etwas fliegen konnte. Immer wenn ein Altvogel einen kleinen Fisch für den Jungvogel abgelegt hat, kommt ein anderer Vogel im Sturzflug angeschossen. Der Altvogel nimmt den Fisch wieder auf und fliegt, verfolgt von dem Angreifer, davon. Die nachfolgende Verfolgungsjagd, von Luftkämpfen unterbrochen, nimmt sobald kein Ende. Irgendwann kommt er wieder mit einem Fisch und genau das Gleiche beginnt von vorne. Meiner Meinung nach müssten die alle längst verhungert sein.

Beeindruckend ist, dass sie den Sommer in der Arktis (Nordpol) und den Winter in der Antarktis (Südpol) verbringen “also eigentlich auch den Sommer”. Die Strecke dazwischen durchfliegen sie mit mehr als 180 km am Tag. Nach dem was ich hier gesehen habe fliegen sie die 180 km “sinnlos” im Kreis innerhalb von 3 Stunden.

In ihrer hektischen und hyperaktiven Art finde ich sie eher nervig. Wehe man kommt ihnen oder ihrem Gelege zu nahe, man wird gnadenlos attackiert. Sie stoßen auf dich herab und schnattern dabei wie ein Kampfflieger mit Maschinengewehr. Dabei stoßen sie mit dem Schnabel nach deinem Kopf. Durch “Stockhochhalten” gibt man ihnen ein unbedenkliches Angriffsziel, da sie immer den höchsten Punkt angreifen (Diese, hier sehr nützliche Information habe ich noch aus Spitzbergen mitgebracht). Als zweite Methode Angreifer zu vertreiben, scheißen sie den Angreifer gezielt an und sie zielen Scheiße gut.

Küstenseeschwalbe mit Beute

Küstenseeschwalben mit Beute

Küstenseeschwalbe mit Beute

Küstenseeschwalben

Küstenseeschwalben

Küstenseeschwalben

Küstenseeschwalbe

Küstenseeschwalbe

(Jede Menge schöne Fotos von Küstenseeschwalben habe ich auch bei meiner Reise durch Schweden machen können Küstenseeschwalben: Schweden 2008)

Heute möchte ich den Campingplatz in Reykjarfjörður erreichen. Dort habe ich mir auf der Hinfahrt ein Depot mit Lebensmitteln für die nächsten drei Tage hinterlegt. Bis dahin muss ich jetzt nur noch über zwei Berge. Der zweite ist nicht besonders beeindruckend, aber der erste ist ziemlich hoch und ich kann jetzt schon sehen, dass er in dichtem Nebel liegt.

Ich mache mich auf den Weg. Verglichen mit den Bergen von gestern erweist dieser sich glücklicherweise als Spaziergang. Also keine Hindernisse mehr zwischen mir und meinem Depot und den netten Leuten mit Kaffee und Gebäck?

In Þarlátursfjörður werde ich eines Besseren belehrt. Ich stoße auf Flüsse die mich einige Überwindung kosten. Mit meinem Wanderstock vor jedem Schritt die Wassertiefe prüfend, die Füße langsam vorwärts schiebend ohne dabei den Bodenkontakt zu verlieren damit mich die Strömung nicht umreißt, taste ich mich langsam durch den Fluss. Mit dem Gefühl abgestorbener Zehen komme ich am anderen Ufer an. Nur um nach ein paar Schritten festzustellen, dass mich noch mal ein Fluss vom gleichen Kaliber erwartet. Erst mal wieder auf und ab laufen, um eine günstige Stelle zu finden und dann wieder rein ins Vergnügen. Die kleinen Bäche von gestern waren eigentlich nicht erwähnenswert.

Noch ein kleiner Berg und ich komme in Reykjarfjörður an. Es gibt wieder Kaffee und Gebäck und als ich endlich nachts um 00:00 Uhr im dichten Nebel in das aus einer heißen Quelle gespeiste badewannenwasserwarme Schwimmbad steige, ist das Gefühl unbeschreiblich wie die Zehen langsam wieder auftauen.

Svartasharoð

Furufjörður

Auf dem Svartasharoð im Nebel

Auf dem Svartasharoð im Nebel

Auf dem Svartasharoð im Nebel
Das ist mein Wanderstab und dahinter würde man, vermute ich, den Drangajökull sehen wenn es nicht so neblig wäre. Der “Weg” ist hier auch ganz gut zu erkennen.

Þaralátursfjörður

Campingplatz Reykjafjörður

Reimer kommt mit dem Boot erst um 13:00 Uhr und nicht um 09:00 wie ich dachte. Alle anderen Passagiere kennen sich, die haben sehr viel Gepäck dabei, ich helfe beim Einladen. Reimar sagt mir, dass er mich nicht bis Látravík durchfahren kann. Er muss mich in Reykjarfjörður zwischenparken bis Niedrigwasser ist. Dann kann er mich und die anderen nach Látravík fahren. Die Leute drücken mir ein Bier in die Hand und die Fahrt beginnt. In Reykjarfjörður werden wir abgesetzt und mit Kaffee, Gebäck und Pfannkuchen versorgt bis sogar ich abwinken muss. Gegen 19:00 Uhr werden wir dann endlich in Látravík ausgesetzt (geplant hatte ich 11:00 Uhr). Das Schiff kann nicht anlegen, wir werden mit dem Zodiac ausgesetzt. Alle anderen Passagiere gehören zu der Familie der Guesthouse- und Campingplatzbetreiber in Látravík. Wenn die sich dort alle treffen sind vier Generationen vereint. Seit einem Jahr wird der Transport von Jona (erste Generation) geplant. Die Überfahrt war für mich eine Art “Hand gegen Koje” Fahrt.

Es gibt in Island einen Elektriker der sich um alle ca. 130 Leuchttürme Islands kümmert, der ist an Bord gewesen und der läßt mich über die Wetterstation mit Deutschland telefonieren.

Die Stromversorgung des Leuchtturms funktioniert über eine Wasserkraftanlage und für den Notfall über einen Dieselmotor.

Nach einem Grillabend mit dieser herrlich netten und verrückten Familie falle ich reichlich betrunken ins Bett.

wir warten auf das Boot nach Látravík

Reimer'S Boot

Ankunft in Reykjarfjörður

in Reykjarfjörður

Wetterstation in Reykjarfjörður

Küstenseeschwalbe

Ankunft in Látravík

Ankunft in Látravík

Ankunft in Látravík

Ankunft in Látravík

Personenaufzug ;-)

Personenaufzug ;-)

Wasserkraftgenerator in Látravík