Strecke: Nordmaling -> Umeå -> Täfteå -> Sävar -> Djäkneboda
Unterkunft: Camp(03.06.2008)
Profil: Wellen
Fahrbahn: Asphalt (E4)
Wetter: Sonne
Tageskilometer: 100,89 km Fahrtzeit: 5:44:21 Durchschnitt: 17,97 km/h

Am Abend suche ich mir einen schönen Badeplatz an einem kleinen See. Ich schlage mein Zelt auf und bin gerade damit beschäftigt mein Feuer zu entzünden als eine Familie zum Fischen vorbeikommt. Wir kommen ins Gespräch und sie laden mich zum Fischen ein. Ich packe also meine Angelhaken und meine Leine aus, bastle mir irgendetwas was nach Angel aussieht und klettere zu ihnen ins Boot. Strenggenommen hat mich die Mutter zum Fischen eingeladen und der Vater hatte nichts dagegen, der etwa 18 jährige Sohn hat sich nicht geäußert, war aber nicht wirklich glücklich darüber. Wenn man es ganz genau nimmt hat sie mich auch nicht wirklich zum Fischen eingeladen sondern zur Unterhaltung mit an Bord genommen. Vermutlich hat sie heute kein besonderes Interesse zu angeln. Sie fragt mich tausend Dinge über meine Tour:“That’s not reality!“ sagt sie immer wieder und fragt mich was denn mit Familie, Kindern und Job wäre. Sie und ihr Mann erzählen mir ganz viel über ihr Leben hier und natürlich über das Fischen. Währenddessen versucht der Sohn mit zunehmend genervterem Gesichtsausdruck zu fischen. Er angelt mit Blinker auf Hechte, ich angle mit Wurm, den sie mir geliehen haben, auf Barsche. Man sollte sich ruhig verhalten wenn man angelt, das weiß jedes Kind, aber ich kann doch nicht so unhöflich sein und auf die Fragen der Mutter nicht antworten, oder? Zumal es mir ziemlich egal ist ob ich einen Fisch fange oder nicht. Dem Sohn ist das allerdings ganz und gar nicht egal und so nach und nach sehe ich Rauchschwaden über seinem Kopf aufsteigen. Es dauert nicht lange und es beißt tatsächlich einer an bei mir, ein ganz kleiner Barsch der wohl als Katzenfutter enden wird. Schon kurze Zeit später ist mir das Angelglück schon wieder wohl gesonnen und ich erwische einen, immer noch sehr kleinen Barsch. Na ja, für eine halbe Schnitte Brot wird er wohl reichen. Nicht wirklich was zum satt werden und auch nicht wirklich ein Angelerfolg, aber für mich der erste selbstgefangene Fisch wenn man von den paar Rotaugen absieht die ich vor 26 Jahren am Edersee geangelt habe. Mit einem gewissen, wenn auch völlig unbegründetem, Stolz nehme ich ihn vom Hacken und der Vater stellt mich direkt vor das nächste Problem. „Jetzt musst du den Fisch töten.“ Meint er. Also gut, ich bin Ingenieur und Ingenieure finden Lösungen für Probleme, ich werde auch hierfür eine Lösung finden und erlege den Fisch nach kurzem Nachdenken fast fachmännisch. Der Sohn kocht, aber leider nicht den Fisch und damit stehe ich schon wieder vor dem nächsten Problem. Meine Erfahrung mit Fischen beschränkt sich auf die Zubereitung von Fischstäbchen und leider hat das was ich da gefangen habe nicht viel mit einem Fischstäbchen gemeinsam. Die Eltern meinen es wäre ein Barsch (abborre – auf schwedisch). Schade, Fischstäbchen wären mir lieber gewesen, aber das wäre ja zu einfach. Ganz unvorbereitet habe ich mir allerdings die Angelhaken nicht gekauft. Ich habe vorher mal gefragt was man mit so einem Fisch anstellt für den Fall, dass ich wirklich einen fangen sollte. Ausnehmen, in Alufolie packen und ab ins Feuer damit. OK, ausnehmen kann nicht so schwer sein, schließlich habe ich auch schon mal ein Wildschwein ausgenommen (aufgebrochen heißt das bei Wildtieren). Bei so einem Fisch kann das doch nicht so viel anders sein, er ist halt nur kleiner, viel kleiner in diesem speziellen Fall. Das wäre dann auch geschafft, aber wie lange sollte so ein Fisch im Feuer liegen ohne, dass ich nacher an einem Stück Kohle knabbere. Keine Ahnung! Aber überraschenderweise funktioniert auch das heute ohne Schwierigkeiten und der Fisch schmeckt herrlich mit einer halben Schnitte Brot. Die Familie ist längst weg und hat mich bei der Küchenarbeit alleine gelassen. Der Sohn hat das Auto genommen und ist mit durchdrehenden Reifen und aufheulendem Motor abgerauscht, seine Eltern sind gemächlich zu Fuß hinterher.
Feuerstelle am Badplatz bei Djäkneboda

Der Fisch (Barsch)

See am Abend

See am Abend mit aufsteigendem Nebel

Das Boot am See

That’s my reality! And I enjoy!

Strecke: Skuleskogens nationalpark -> Örnsköldsvik -> Nordmaling
Unterkunft: Camp(02.06.2008)
Profil: Recht flach
Fahrbahn: Asphalt (E4)
Wetter: Sonne
Tageskilometer: 113,33 km Fahrtzeit: 7:02:03 Durchschnitt: 16,37 km/h

Die Sonne geht zwar noch unter, aber es wird nicht mehr richtig dunkel. Gegen Abend bin ich noch fit und fahre einfach weiter, ungefähr bis um 1:00 Uhr. Der Verkehr auf der E4 lässt über Nacht nach und so wird die Fahrt etwas angenehmer. Es wird zwar kälter, aber solange man in Bewegung bleibt ist das kein Problem. Die Nachtfahrt im Halbdunklen hat was, ich habe die Straße fast für mich und habe das Gefühl ich könnte so immer weiter fahren. In Nordmaling werde ich dann doch müde und lege mich für ein paar Stunden hin. Es sieht nicht nach Regen aus, also schlafe ich direkt mit meinem Schlafsack am Strand auf den Steinen. Sollte es doch anfangen zu regnen werde ich meine Sachen einpacken und einfach weiterfahren.
Kanadagänse

Kanadagänse

Kanadagänse

Kanadagans

Strand

Outdoor Kirche Bjästa

See mit Wolken

Örnsköldsvik

Mein Nachtlager in Nordmaling am nächsten Morgen

Strecke: Ramvik -> Schlenker durch die Höga Kusten -> Skuleskogens nationalpark
Unterkunft: Camp(01.06.2008)
Profil: Die ersten 40 km Wow! Danach recht flach
Fahrbahn: Asphalt
Wetter: Sonne (30°C)
Tageskilometer: 80,10 km Fahrtzeit: 4:49:43 Durchschnitt: 16,83 km/h

Nachdem ich die Brücke passiert habe mache ich einen Schlenker durch die Höga Kusten der mich auf einem Bogen über gut 40 km durch die heftigsten Steigungen führt die ich bisher mit meinem Anhänger erleben durfte. Landschaftlich sicherlich schön, aber nachdem ich wieder auf die E4 eingescheckt habe musste ich feststellen, dass mich der Schlenker nur ca. 4 km nach vorne gebracht hat. Irgendwie ist das nicht gerade motivierend. Irgendwo im Nichts mit gut 10 km Abstand zum nächsten kleinen Ort steht eine Bank und ein Tisch. Auf dem Tisch steht völlig überraschend eine kleine Topfblume. Keine Ahnung wer hier zum Gießen herkommt, aber wirklich nett!

Bei 30°C und diesen Steigungen gönne ich mir eine Abkühlung und ich springe an einer Bucht mit Sandstrand kurz ins Bottische Meer. – Sehr erfrischend, das Meer ist eiskalt!

Auf der Strecke treffe ich Johan an einer Kreuzung, einen schwedischen Radfahrer den ich gerade noch daran hindern konnte sich völlig zu verfahren. Er hat eigentlich meine Richtung, kommt mir aber entgegen und ist dabei den 40 km Schlenker in der falschen Richtung anzugehen. Wir fahren in unterschiedlicher Richtung weiter, treffen uns aber an der E4 wieder und fahren ein Stück gemeinsam. Johan hat es recht eilig und ein ordentliches Tempo drauf. Völlig überhitzt springen wir an einem Rastplatz zusammen noch mal kurz ins Bottische Meer um uns abzukühlen.

Zwischen mir und Johan gibt es ein paar Parallelen.
Johan hat Medizin studiert (ich Bauingenieurwesen), er hat aber nie als Arzt gearbeitet sondern direkt einen Job als Programmierer angenommen (bei mir war das ähnlich). Nach 7 Jahren (in meinem Fall 8 Jahre) im Job hat er seinen Job gekündigt um Radfahren zu gehen und hat sich für ungefähr 6 Monate in Spanien, auf den Kanarischen Inseln und in Marokko rumgetrieben. Wir sind uns einig, dass es eine vernünftige Entscheidung ist, aber er meint „Some call us crazy!“. OK, auch das kann ich verstehen.

Johan ist gerade auf dem Weg zu seiner neuen Arbeitsstelle. Morgen früh um 9:00 Uhr fängt er seinen neuen Job an. Er hat sich gedacht er fährt die Strecke mit dem Rad um sein Rad auch gleich vor Ort zu haben. Die Strecke von Norrköping nach Umeå ist 821 km lang und er hat drei Tage Zeit dafür einkalkuliert. Als ich ihn gegen 19:00 Uhr alleine weiterfahren lasse hat er noch ca. 150 km vor sich und es kommt ein recht starker Gegenwind auf. Seine Gangschaltung ist kaputt (er kann nur noch zwischen den drei Kettenblättern vorne wechseln) und die Busse hier nehmen keine Fahrräder mit. Mir bleibt nur ihm Glück zu wünschen, sein Tempo kann ich für die nächsten 150 km definitiv nicht halten und würde ihn nur bremsen. Die Nummer finde ich wirklich crazy, aber ich sollte nicht mit Steinen schmeißen.

Ein paar Tage später bekomme ich eine Mail von ihm. Er hat die 821 km in beeindruckenden 60 Stunden bewältigt. Davon gut 430 km mit drei Gängen. Morgens um 2:30 Uhr ist er in Umeå angekommen und hatte noch genug Zeit sich „auszuruhen“ und pünktlich bei seiner neuen Arbeitsstelle zu erscheinen. Glückwunsch und Hut ab, das ist eine beeindruckende Leistung!

Sehr aufwendig geflegte Topfblume

In den Höga Kusten

Mein erster Badestrand

Johan nach ca. 670 km mit 2 Stunden Schlaf

Camp am Rastplatz am Skuleskogens Nationalpark

Strecke: Timrå -> Härnösand -> Ramvik
Unterkunft: Camp(31.05.2008)
Profil: beachtliche Steigungen
Fahrbahn: Asphalt (E4)
Wetter: Sonne
Tageskilometer: 55,45 km Fahrtzeit: 3:20:33 Durchschnitt: 16,96 km/h

Die E4 ist kein Radweg. Manchmal hat man einen komfortablen, vielleicht 2 Meter breiten Seitenstreifen auf dem man gut fahren kann. Manchmal verschwindet dieser und es bleiben ca. 20 cm (vielleicht 30 cm) Überlebenstreifen übrig. Rechts von diesem Streifen hört der Asphalt auf und es geht abwärts in den Straßengraben. Links von dem Streifen fahren Autos manchmal mit zulässigen 110 km/h. Zwischen der Straße und meinem kleinen Seitenstreifen ist über lange Strecken ein Rüttelstreifen eingebaut, der die Autofahrer wecken soll bevor sie in den Graben fahren. Rechts von meinem 20 cm Lebensraum sind oftmals noch Leitplanken oder Leitdrähte. Das ist etwas unangenehm. Die Autofahrer sind nicht glücklich darüber, dass ich mich hier in ihrem Revier aufhalte (ich auch nicht! Da sind wir völlig im Einklang miteinander!) und hupen recht häufig. Man erkennt recht deutlich, das es ein unzufriedenes Hupen ist und kein freundliches „Hallo“. Mit neongelber Warnweste kann ich wenigstens sicherstellen, dass mich jeder der mich über den Haufen fährt vorher gesehen hat. Das beruhigt ungemein. Die Fahrt hier ist nervlich recht anstrengend, aber ich komme gut voran. Auf Teilstücken muss ich von der Straße, da das Radfahren nicht auf der ganzen Strecke erlaubt ist. Es ist etwas nervig, wenn man sich plötzlich wieder auf die Route konzentrieren muss. Das Fahren auf der E4 macht zwar keinen Spaß, aber man braucht nicht zu denken und das tut mir im Moment ganz gut.

Höga Kusten:

Kurz vor den Höga Kusten beende ich den Tag. Die Höga Kusten hebe ich mir für morgen auf. Seit das Eis vor 9600 Jahren von der Küste weggeschmolzen ist, hat sich das Land um 285 Meter angehoben, was weltweit die größte isostatische Bodenhebung seit der letzten Eiszeit ist. Insgesamt beträgt die Landhebung während der letzten 18000 Jahre 800 Meter. Heute hat sich isostatische Bodenhebung verlangsamt und beträgt „nur noch“ 8 mm pro Jahr. 8 mm pro Jahr sind aus geologischer Sicht allerdings immer noch eine beeindruckende Geschwindigkeit. Ob ich „als Radfahrer“ – ab morgen – die Begeisterung der Geologen für dieses Phänomen teilen kann bleibt abzuwarten.

Im Gebiet der Höga Kusten blüht zur Zeit eine für Europa besonders seltene Orchidee. Die Calypso bulbosa (Norne). Ich treffe hier deutsche Touristen die eigens wegen dieser Orchidee hierher gekommen sind. Orchideen-Liebhaber sind schon außergewöhnliche Menschen. Bei den zu erwartenden Steigungen morgen werde ich wohl nicht besonders viel Energie darauf verwenden nach dieser Blume Ausschau zu halten.
Mein Zeltplatz von letzter Nacht

In Härnösand nahe der Bibliothek

Das ist überwiegend meine Aussicht heute

Die Brücke hebe ich mir für Morgen auf

Strecke: Harmånger -> Sundsvall -> Timrå
Unterkunft: Camp(30.05.2008)
Profil: beachtliche Steigungen
Fahrbahn: Asphalt (E4) und Schotter
Wetter: Sonne
Tageskilometer: 109,43 km Fahrtzeit: 6:23:32 Durchschnitt: 14,41 km/h

In den etwas größeren Orten in Schweden, die ich bisher gestreift bzw. durchfahren habe, hatte ich etwas Schwierigkeiten Zugang zu den Menschen zu finden. In Sundvall ist das anders. Ungefragt kommen sie auf mich zu und helfen mir. Einer sieht mich auf einer Parkbank Pause machen, kommt auf mich zu und sagt mir wo ich einen schönen Platz zum Zelten finde. Eine Radfahrerin fragt mich während ich an einer Kreuzung die Karte studiere wo ich hin möchte und zeigt mir den für Radfahrer geeignetsten Weg. Ein anderer Mann kommt bei mir vorbei und sagt mir im Vorbeigehen wo ich richtiges Bier kaufen kann und wieder ein anderer will mich gleich zum nächsten Campingplatz führen. Drei Mädels, die Deutsch studieren (was mir sehr entgegen kommt) fragen mich über meine Tour aus und zeigen mir den besten Weg aus Sundsvall heraus.

Ich frage mich ob die Leute alle so gute Laune haben weil das Wetter so herrlich ist, oder ob ich so hilflos aussehe, dass sie alle Mitleid mit mir haben.

Ein paar weitere Passanten bewundern mein Rad und staunen über meine Ausrüstung und dann treffe ich noch einen sturzbetrunkenen Schweden, der sich zu mir setzt und mir seine Lebens/Leidens?-Geschichte vorheult. Ich verstehe kein einziges Wort, was mich nicht daran hindert ihm zuzuhören und ihn nicht daran hindert seine Geschichte sehr emotional und ausführlich zu erzählen. Immerhin kann ich ihm Feuer für seine Pfeife geben, was seine Situation vermutlich nicht verbessern wird, ihn aber für einen kurzen Moment etwas weniger verzweifelt wirken lässt. Er versucht hartnäckig und dankbar mir immer wieder von seiner Pfeife anzubieten, sicherlich nett gemeint ist, aber seine Wirkung etwas verfehlt.

Größere Orte verlässt man am besten über Nebenstraßen wenn das möglich ist. Die Hauptstraßen sind am Ortsausgang unangenehm viel befahren. Auf einer Nebenstrecke fahre ich nach Timrå und finde ein kurzes Stück nördlich von Timrå einen tollen Platz mit vorbereiteter Feuerstelle an einem See. Ich sammle Feuerholz, entfache ein Lagerfeuer und genieße die Ruhe und Einsamkeit an diesem schönen Platz nach einem sehr angenehmen Tag.
Nijurunda kyrkoruin

Nijurunda kyrkoruin

Sundsvall

Sundsvall

Sundsvall

Sundsvall

Sundsvall

Camp am See

Wasserspiegelung

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