alles außer Vögel


Strecke: Honningsvåg -> Norvågen -> Kjelvik
Unterkunft: Camp(29.06.2008)

Es ist nur ein kurzes Stück von Honningsvåg nach Norvågen. Norvågen ist mit seinen ca. 500 Einwohnern überschaubar. Der kleine Tunnel durch den man fahren muss, um nach Norvågen zu kommen, ist mehr eine Überdachung für die Straße und wurde nur gebaut um zu verhindern, dass die Straße im Winter durch Schneelawinen verschüttet wird und die Einwohner von Norvågen abgeschnitten werden. Das ist vor allem wichtig, da die Schule in Norvågen kürzlich geschlossen wurde und die Kinder jetzt morgens immer nach Honningsvåg fahren müssen, worüber sich weder die Kinder noch die Eltern aus Norvågen sonderlich freuen.

Den Wanderpfad von Norvågen nach Kjelvik und weiter nach Helnes Fyr finde ich zunächst nicht. Ich frage eine Frau nach dem Weg, die mit Engelsflügeln auf dem Rücken, wie Kinder sie zu Karneval tragen, mit ihren Freundinnen Kaffee trinkend auf der Terrasse sitzt. Mein Rad kann ich direkt hier am Haus parken und eines ihrer Kinder zeigt mir gegen ein wenig Schokolade den Weg zum Startpunkt der Wanderung.

Engelsflügel!?!? Die Frau ist Comedian und bereitet einen Auftritt vor. Was liegt für einen Comedian in Norwegen näher, als sich mit Prinzessin Märtha Louise zu beschäftigen. Prinzessin Märtha Louise hat durch ihre Heirat mit dem bürgerlichen Ari Behn ihren Platz in der Thronfolge verloren bzw. darauf verzichtet. Hauptsächlich beschäftigt sie sich mit der Schule die sie gegründet hat. Hier sollen Kinder lernen wie man durch Tiere (z.B. Pferde) mit Engeln spricht. Prinzessin Märtha Louise spricht reichlich mit Pferden und anderen Tieren also eigentlich mit Engeln, hat also viel Erfahrung damit und gibt ihr fundiertes Wissen in ihrer Schule an die Kinder weiter.

Norvågen

Norvågen

Hund

Wanderweg nach Kjelvik

Norvågen

Wanderweg nach Kjelvik

Die vielleicht einstündige Wanderung nach Kjelvik ist bis kurz vor Kjelvik leicht zu gehen. Dann hört der Pfad auf oder ich verliere ihn. Alternativ zum Pfad folge ich den Stromleitungen. Die Strecke geht extrem steil abwärts. Verschiedene Leute haben mich schon davor gewarnt: „Am Ende sieht man den Pfad nicht mehr gut und es wird sehr steil!“. Wenn dir ein Norweger so etwas sagt, dann nimm es ernst.

Richtung Kjelvik

Kjelvik

Kjelvik

Kjelvik ist früher mal die wichtigste Stadt auf Magerøya gewesen, wurde aber ca. 1890 in einem Sturm zerstört. Seit dem lebt hier keiner mehr. Erst in letzter Zeit sind hier wieder ein paar Sommerhäuser aufgebaut worden. Heute ist niemad hier und ich habe die Stadt für mich allein, nur ein einzelnes Rentier läuft hier herum, eigentlich zwei, aber das zweite läuft schon länger nicht mehr.

Rentier

Rentier

Rentier

Zwischen den verfallenen Gebäuden von früher finden sich die neuen, aber ebenfalls von Wind und Wetter recht mitgenommenen, Sommerhäuser. Dieser Ort, der nur über den Wanderpfad oder vom Wasser her erreichbar ist, hat eine besondere Ausstrahlung. Es gibt viel zu entdecken während ich langsam durch den Ort streife.

Ich zähle ungefähr zwölf Häuser hier im Ort und habe das Gefühl einen Vorort zu gründen während ich am Stadtrand mein Zelt aufstellen.

Kjelvik

Kjelvik

Kjelvik

Kjelvik

In Kjelvik

Blick von Kjelvik

Sicherheitsbestimmungen können hier auch beim Abstützen von Hochspannungsleitungen außer acht gelassen werden. Hier ist ja keiner.

Strommasten in Kjelvik

Strommasten in Kjelvik

Strecke: Skarsvåg -> Honningsvåg
Unterkunft: Camp(28.06.2008)
Tageskilometer: 25,08 km Fahrtzeit: 2:00:40 Durchschnitt: 12,60 km/h

Nachts zwischen 00:00 Uhr und 02:00 Uhr soll die Mitternachtssonne durch das Kirchenportal scheinen. Wir, also Rico, Katrin, Enrico und ich stapfen also nach meinem Friseurtermin noch mal los zu diesem, mehrere Meter breiten, natürlich entstandenen Kirchenportal. Das Kirchenportal präsentiert sich allerdings eher düster, da die Sonne nur ein klein wenig durch die Wolkendecke blinzelt.

Bevor ich mich morgen auf den Weg nach Kjelvik mache, lege ich heute noch einen Zwischenstop in Honningsvåg ein. Eigentlich zum Schreiben und Fotos sortieren. In Honningsvåg setzte ich mich also wieder ins Kaffee Corner und treffe dort Uni, eine gebürtige Honningsvågerin, die mir in akzentfreiem Deutsch stundenlang von Honningsvåg, Magerøya und dem Leben hier erzählt. Sie hört sich meine Reiseerlebnisse an und schwärmt von Leonard Cohen. Gegen 02:00 Uhr schließt das Kaffee Corner und ich muss mir nicht mehr, wie geplant, einen Schlafplatz in der Umgebung von Honningsvåg suchen sondern bekomme ein bequemes Bett und ein großzügiges Abendbrot bei Uni (Danke Uni). Nachdem ich, abgesehen von einer Schüssel Müsli heute früh, noch nichts gegessen habe mache ich mich heißhungrig darüber her und muss mich zusammenreißen ihr nicht den ganzen Kühlschrank leer zu futtern. Schlaf bekomme ich nicht besonders viel, da sie mir unermüdlich weitere Lieder von Leonard Cohen vorspielt. Zweifelsohne tolle Texte, aber nach einigen Stunden Leonard Cohen intravenös ist meine Aufnahmekapazität und Konzentrationsfähigkeit für den Tag endgültig erschöpft und mir fallen am Küchentisch sitzend die Augen zu.

Ring the bells that still can ring
forget the perfekt offering
there’s a crack in everything
that’s where the light comes in

(Leonard Cohen)

Kirkeporten

bei kirkeporten

Skarsvag

Renier

Rentier

auf mageroya

auf mageroya

Strecke: Muonio -> Palojoensuu -> Sotkajärvi Lintutorni (Vogelbeobachtungsturm)
Unterkunft: Camp(17.06.2008)
Profil: recht flach
Fahrbahn: Asphalt
Wetter: Regen
Tageskilometer: 64,65 km Fahrtzeit: 3:23:02 Durchschnitt: 19,41 km/h

Morgens Regen und davon reichlich. Ich warte noch ein wenig bevor ich losfahre und treffe Thea. Thea fährt mit dem Motorrad Stuttgart/Nordkap/Stuttgart als Einstimmung auf eine größere Reise. Bei dem Regen macht Rad fahren keinen Spaß. Das Wetter ist genau richtig für eine Wildwassertour die man hier auf dem Muonioälven machen kann. Wir wagen uns also aufs Wasser. Ich hätte den Start dann fast noch verpasst weil die Tour um 15:00 Uhr startet (natürlich finnischer Zeit!) und 15:00 Uhr finnischer Zeit ist 14:00 Uhr schwedischer Zeit (was heißt das jetzt für die Sonnenuhr in Pajala?).

River Rafting ist neu für mich und eindeutig zu nass, um meine Kamera mit aufs Boot zu nehmen. Echt schade, das hätte ein paar lustige Bilder gegeben, aber ich wäre eh nicht zum Fotografieren gekommen. Immer paddeln, nie aufhören zu paddeln (auch wenn du mit dem Paddel nur in der Luft herumstocherst weil du oft gar nicht bis zum Wasser runter kommst wenn das Boot auf einer Welle steht. Dafür kommt das Wasser zu dir ins Boot. Wellenberge die sich neben dem Boot auftürmen, das Boot klatscht hinein und ich bin froh, dass ich ich nur das gestellte Ölzeug trage, eigentlich bringt das Ölzeug auch nichts mehr wenn so ein Wasserschwall über dich schwappt, eine Badehose wäre sinnvoll, dann wäre es nur etwas kalt. Weiter paddeln! Nie aufhören zu paddeln! Du musst schneller sein als das Wasser, sonst kann der Mann am Ruder nicht steuern. Steuern muss er, immer auf die Felsen zu „Der Felsen ist dein Freund!“. Die Strömung zieht dich dann schon wieder vom Felsen weg. Das ist die Theorie!…. Glaube ich.

Nach Tee mit Thea starte ich dann um 18:30 (finnischer Zeit 😉 ) und folge einer sich durch niedrigen, lichten Wald windenden Straße. An einer Vogelbeobachtungsstelle lege ich mich für ein paar Stunden, bei recht hohem Mückenanteil in der Luft, hin.
irgendwie will ich noch gar nicht wieder los

Thea

Waldweg

Ufer

Straße

Rentier

Rentier

Straße

Nachtlager

Strecke: Pajala -> Kolari -> Muonio
Unterkunft: Camp(16.06.2008)
Profil: recht flach, ein paar leichte Steigungen
Fahrbahn: Asphalt
Wetter: recht viel Regen
Tageskilometer: 110,49 km Fahrtzeit: 6:22:07 Durchschnitt: 17,58 km/h

Kurz vor Muonio finde ich einen Caravanplatz wo auch Hütten vermietet werden. Hier kann ich doch bestimmt campen. Mir ist nach einer Dusche und vielleicht einem Kaffee am Abend. Neben dem großen Haupthaus steht ein riesiges Schild „Info – > 500 Meter Red building“ 😉
Das Schild ignoriere ich und gehe direkt ins Haus wo man mich auf das Schild hinweist….. OK, wer lesen kann…

Der Platz sieht chaotisch aus. Ein paar alte rostende Autos ein wenig Bauschutt und alles riecht überall nach Hundescheiße. Aber irgendwie nett hier. „Hundescheiße mit Charm!“

Red building gefunden, aber von Info keine Spur. Ein vielleicht 18 Jahre alter Junge öffnet mir die Tür. „Kann ich hier zelten?“, „Weiß nicht.“, „Ist dies ein Campingplatz?“, „Weiß nicht. Meine Eltern sind nicht da.“, „Wann kommen deine Eltern wieder?“, „Weiß nicht.“, „Vermietet ihr hier Hütten?“, „Ich glaube ja.“…… „Habt ihr Duschen????“, „Nein!“. „Kitos! Hej, Hej!“ (Frage ich zu kompliziert?)

„Kitos“ ist Finnisch für „Danke“, aber auch für „Bitte sehr“ wenn man nicht „Ole hyvä“ sagt. „Hej, Hej“ heißt auf Finnisch „Tschüss“ (was etwas verwirrend ist weil man sich auf Schwedisch so begrüßt). So ganz konsequent sind die Finnen damit aber auch nicht, mir sind auch Finnen begegnet die mich mit „Hej, Hej“ begrüßt haben… oder wollten die mir sagen, dass ich gleich wieder gehen kann?

Ein Stück weiter finde ich einen großen Campingplatz direkt am Muonioälven. Hier bekomme ich Info, Kaffee, Duschen und sogar ein Bier.

Es geht wieder los

Muonioälvene

Rentier

Rentier

Rentier

Rentier

undichtes Samenzelt

Strecke: Kåge -> Byske -> Piteå -> Kopparnäs
Unterkunft: Camp(05.06.2008)
Profil: recht flach
Fahrbahn: Asphalt (E4)
Wetter: Sonne (32°C morgens um 10:00 Uhr)
Tageskilometer: 93,14 km Fahrtzeit: 5:19:29 Durchschnitt: 17,71 km/h

Immer wieder habe ich Hilfe bekommen von Freunden, Bekannten aber auch von Menschen die mir auf der Straße begegnet sind. Besonders intensiv habe ich das auf meinen Touren erlebt und wahrgenommen. Hilfe für die keine Gegenleistung eingefordert wird. Manchmal ist es nur ein offenes Ohr was allein dadurch hilft, dass es zuhört. Manchmal war die Hilfe wirklich notwendig, manchmal hat sie mir nur meine momentane Situation erleichtert oder verschönt und manchmal war es nur die nette Geste, die meine Stimmung verbessert hat. Ich habe Essen bekommen, oder eine warme Dusche oder die Möglichkeit zu telefonieren oder habe einen Platz für die Nacht bekommen. Ich kann unmöglich auf meiner Reiseberichtsseite alle kleinen und großen Hilfen erwähnen die ich bekommen habe, möchte mich aber an dieser Stelle bei allen Helfern bedanken die mir im Leben begegnet sind.

Manche haben mir gesagt „Gib’s weiter! Wenn du jemanden triffst der Hilfe braucht dann hilf!“

Helfen oder unterstützen kann man auf viele verschiedene Arten. Es muss dich nicht viel oder überhaupt was kosten. Du kannst allein dadurch, dass du zuhörst oder mitdenkst jemandem den Tag verschönen. Manchmal reicht schon ein Lächeln.

Helfen kannst du aber nur wenn jemand Hilfe braucht und du gerade genau das geben kannst was dieser jemand gerade braucht. Wenn du einen Freund hast der dir schon oft geholfen hat, oder der dich mal sehr unterstützt hat als es dir besonders schlecht ging, dann hast du vielleicht das Bedürfnis gerade diesem Menschen zu helfen um deine Dankbarkeit auszudrücken. Aber was wenn er nichts braucht was du geben kannst. Was wenn du gerade das nicht geben kannst was er braucht. Es nützt nichts einem Verdurstenden Schokolade zu geben. Im schlimmsten Fall isst er die Schokolade, schon um dir die nette und lieb gemeinte Geste nicht kaputt zu machen, und sein Durst wird noch schlimmer. Ich jedenfalls habe Schokolade noch nie abgelehnt, ich habe aber auch immer Durst. 😉

Wenn du es einfach weiter gibst und Menschen denen du helfen kannst hilfst, dann kommt es vielleicht auf Umwegen sogar bei dem an dem du nicht helfen kannst, so sehr du es auch möchtest.

Es nützt auch nichts auf der Straße nach Menschen zu suchen denen du helfen kannst. Sie müssen deine Hilfe auch wollen. Nicht jeder der Hilfe braucht, will sie auch annehmen. Aber wenn du jemanden triffst der Hilfe braucht und annimmt, dann kann es ganz leicht sein, ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern.

Also: „Gib’s weiter!“ Warum nicht, es tut dir nicht weh. Im Gegenteil, helfen tut gut. Auch das konnte ich – zum Glück- schon so manches Mal erleben.

PS: Das mit der Schokolade ist nur ein Beispiel! Weder bin ich am Verdursten noch ist mir jemals jemand begegnet der am Verdursten war. Vor allem möchte ich ganz bestimmt niemanden davon abhalten mir Schokolade zu geben!!! Ganz bestimmt nicht!

Jörg bei 32°C

Rentiere hinter Wildschutzzaun neben der Straße

Sommer in Schweden und Badespaß im Fluß

Byskeälven

Brücke bei Piteå

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