->  Igherm -> Tarudant
Tageskilometer: 109,42 km
Höhenprofil: 1660 -> 1850 -> 200

Heute schlafe ich für diese Tour verhältnismäßig lange und sitze erst um 8:30 Uhr wieder auf dem Rad.

Es gibt Orte in denen man sich auf Anhieb wohl fühlt. Igherm ist so ein Ort für mich. So in etwa hatte ich mir die Orte in Marokko vorgestellt. Nicht ganz so quirlig wie Taliouine, Aoulouz oder Demnate, irgendwie freundlich und vor allem wirkt der Ort recht sauber und aufgeräumt. Die Leute sind freundlich und kein bisschen aufdringlich. Nach einer kurzen Kaffeepause mache ich mich entspannt und ausgeruht auf den Weg Richtung Tarudant.

Auf dem Stück sind einige kleine Orte und hier ist hier richtig viel Betrieb. Damit meine ich weniger den Autoverkehr, es sind jede Menge Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche auf der Straße. Das heißt schon mal in erster Linie, dass ich viel mit Winken und Abklatschen beschäftigt bin. Ein Pickup fährt an mir vorbei und von der Ladefläche jubeln mir ca. 25 Jugendliche zu. Der Pickup hält häufig an, um weitere Kinder zusteigen zu lassen. Immer wenn der Wagen anhält hole ich ihn wieder ein, nur um kurz danach wieder überholt zu werden. Nach einigen gegenseitigen Ãœberholvorgängen, halten die Jugendlichen mir von der Ladefläche des stehenden Wagens aus ihre Hände entgegen und ich nehme das Angebot an. Ich rausche also mit über 30 km/h an dem Wagen vorbei und halte meine Hand zum Abklatschen hoch. Klatsch, Klatsch, Klatsch, Klatsch ……. ein cooles Gefühl….. Ein paar Jungs greifen zu und halten meine Hand fest…. Ein beängstigendes Gefühl. Ich verspüre einen kurzen Ruck, komme etwas ins Schlingern,  dann ist meine Hand wieder frei und ich bin an dem Wagen vorbei. Das hätte schief gehen können. Kurz danach überholt der Wagen mich wieder, mir wird begeistert zugewunken und mir fliegen Kusshände, aber auch ein paar Stöcke entgegen die mich zum Glück nicht treffen.

Kurz danach sehe ich vor mir eine Gruppe von Jugendlichen auf der Straße, die sich als sie mich bemerken mit ausgebreiteten Armen als Straßensperre aufstellen. Vorher hatte ich gelesen, man soll bremsbereit darauf zufahren und beschleunigen. Beschleunigen tue ich, aber bremsbereit bin ich so gar nicht mehr, während ich einem am Rand stehenden Jungen freundlich zuwinke und genau auf die Straßensperre zuhalte. „Hau ab oder es knallt gleich fürchterlich“ denke ich mir und schaue gar nicht mehr richtig nach vorne. Im letzten Moment bildet sich eine Lücke für mich. Ich rufe den Jungs noch ein freundliches „Salam aleikum“ zu. Sie winken und grüßen freundlich zurück und ich bin wieder verschwunden. Knapp zwei Kilometer weiter formiert sich die nächste, allerdings weniger bedrohliche Straßensperre vor mir und wird in ähnlicher Weise durchbrochen. Ich frage mich, was wohl passiert, wenn man einfach anhält und sich mit den Jungs unterhält. Vermutlich gar nichts, nur kommt man nicht so schnell wieder weg, oder? Im nächsten Ort spielen ein paar kleine Kinder mit Stöcken und als ich vorbeikomme muss ich mitspielen. Sie sehen mich kommen, postieren sich neben der Straße und als ich vorbeifahre versuchen sie vergeblich mir die Stöcke in die Speichen zu stecken. Irgendwie ist die Fahrt heute spannend.

Ich habe bevor ich hierher gefahren bin überall gelesen, dass die Kinder nur spielen wollen. Auch die, die dich mit Steinen bewerfen, wollen dich nicht verletzen. Heute merke ich deutlich was damit gemeint ist. Die Kinder waren alle freundlich, oder verspielt, etwas übermütig und energisch. Ich habe mich nicht bedroht gefühlt, was nicht heißen soll, dass ich keine Angst hatte, dass was passiert.

Ein Stück vor Tarudant, bei einer Pause am Straßenrand, hält ein Autofahrer neben mir an, drückt mir eine Tüte mit Mandarinen in Hand und fährt weiter….. „Danke!“ … „Ausgerechnet Mandarinen!“. Eigentlich verteile ich in letzter Zeit fleißig Mandarinen unter den Marokkanern und nachdem ich in Igherm noch mal meinen Mandarinenvorrat aufgestockt habe, quillen mir die Mandarinen bald aus sämtlichen Taschen.

Es geht abwärts, 600, 500, 400, 300, 200 Meter. Unten angekommen geht es ganz flach weiter, die Straße verengt sich und ist jetzt nur noch halb so breit wie vorher, der Straßenzustand wird schlechter, der Fahrzeugverkehr nimmt stark zu und Wind kommt auf, natürlich von vorne. Ich möchte mir heute ein Hotel suchen. Auf der Strecke komme ich vorbei am Riad Freja. Das sieht mir zwar von außen viel zu teuer aus, aber es ist schon fast dunkel und ich möchte nicht unbedingt noch nach Tarudant reinfahren. Ich betrete das Riad und komme in einen Innenhof. Malerisch! Mandarinen hängen an den Bäumen und Vogelgezwitscher erklingt…. Das hier ist mit Sicherheit zu teuer für mich! Ich komme in einen zweiten Innenhof… Weniger Malerisch! Ein völlig versifftes stinkendes Schwimmbad…. Vielleicht doch nicht zu teuer?! Endlich treffe ich jemanden vom Personal, er meint allerdings sofort, dass sie voll belegt sind, ehrlich gesagt glaube ich ihm das irgendwie nicht.

Die Brücke über den Qued Sous wird gerade neu gemacht. Die Umgehung geht einfach durch das zur Zeit trockene aber sehr holprige Flussbett.

Ich komme nach Ait Azza und damit auf die N10, damit fängt das Chaos so richtig an. Radfahrer, Mofas, Autos, Taxis, Laster und am Straßenrand Menschen, einige Autowerkstätten. Inzwischen ist es dunkel. Ich überhole zwei Radfahrer, die sich langsam über 10 Minuten wieder zu mir rankämpfen. Einer überholt mich und ich hänge mich in seinen Windschatten. Wir fahren eine Weile ein Art belgischer Kreisel zu zweit. Mein Mitspieler hat riesigen Spaß. Er hat kaum noch Zähne im Mund und eine große und nur notdürftig versorgte Wunde an der Wange. In einem Kreisverkehr trennen sich unsere Wege.

Ich fahre vorbei an der gewaltig wirkenden Stadtmauer aus Stampflehm und durch das Tor „Bob Zorgane“ in die Medina.

In den belebten, geschäftigen Gassen der Medina muss ich schieben. Viele, die mich sehen fangen an zu lachen, vermutlich bin ich mit meinem bepackten Rad hier etwas deplaziert, vermutlich wirke ich auch so als hätte ich mich verlaufen, zumindest fühle ich mich so. Auf jeden Fall ist ein Europäer mit Reiserad nachts in der Medina von Tarudant bestimmt kein alltäglicher Anblick. Ich gehe ins Hotel Tiout. Die Nacht kostet 235 Dirham und das Hotel wirkt sehr nobel und das Personal ist wie gewohnt freundlich und bemüht, aber das Zimmer ist überhaupt nicht sauber, Fußboden, Fensterrahmen und Tür sind beschädigt und das Abendessen, dass ich mir gönne ist recht teuer und eher mäßig.