Taliouine -> Igherm
Tageskilometer: 84,66 km
Höhenprofil: 1120 -> 920 -> 1300 -> 1100 -> 1660

Die Angestellten wohnen in einem kleinen Raum auf der Terasse, in dem im wesentlichen zwei Betten und ein kleiner Tisch stehen. Strom, Licht oder fließend Wasser gibt es  nicht. Einer der Angestellten hat sich einfach mit zwei Decken auf die Terrasse gelegt. Jetzt steht er etwas missmutig auf. Um 6:00 Uhr hat er noch nicht mit mir gerechnet und ich habe ihn wohl geweckt. Aber der Muezin ruft um 5:30 Uhr zum ersten mal zum Gebet und ich nehme das als Aufforderung zum Aufstehen. Wie auch in den letzten Tagen ist die kleine Bettelkatze mit dem gebrochenen Bein sofort zur Stelle, um mit mir zu frühstücken. Die Hunde, die hier in ungefähr 15-Hund starken Rudeln durch die Gegend streifen bleiben in einigem Abstand zum Hotel. Was auch ganz gut so ist, die kleine Katze konnte ich noch ganz gut durchfüttern, bei den Hunden wär es etwas schwieriger geworden.

Es ist herrlich wieder auf dem Rad zu sitzen und die Strecke ist ruhig, landschaftlich beeindruckend und erstmal recht flach. An einer Bushaltestelle stehen ca. 20 Berberfrauen, die aufgeregt anfangen zu winken und zu schnattern als ich vorbeifahre. Alles was ich heraushöre ist ein „Bonbon! Bonbon! Bonbon!“ Ich kann es kaum glauben. Ich habe heute daran gedacht 2 kg Mandarinen einzupacken. Als Gastgeschenk falls ich wieder eingeladen werde, als kleines „endemisches“ Geschenk für die Kinder (die von mir aus voller Ãœberzeugung niemals Geld oder Kugelschreiber bekommen würden und auch tolle „europäische“ Süßigkeiten halte ich nicht für geeignete Geschenke) oder überhaupt als kleine Aufmerksamkeit für Leute mit denen ich rede und natürlich nicht zuletzt als saftige, süße und gesunde Erfrischung für mich zwischendurch. Mit 20 Frauen habe ich nicht gerechnet und damit ist meine Ladekapazität auch eindeutig überfordert. Sie machen auch eigentlich nur Spaß und als ich ihnen erkläre, dass die Mandarinen nur für Kinder sind höre ich lautes, gemeinsam angestimmtes und langezogenes „Oohhhhhh…“ gefolgt von weiterem Gelächter. Nach noch ein wenig amüsantem Tumult setze ich meine Fahrt fort.

Für vielleicht fünfundzwanzig Kilometer treffe ich keinen Menschen, was mir in Marokko bisher noch nie passiert ist, auch werde ich nicht überholt und mir kommen auch keine Autos entgegen. Dann sehe ich unerwartet einen alten Mann auf der Straße liegen. Buchstäblich mitten im Nirgendwo. Er hat sich die Schuhe ausgezogen und ein ganz frisch (noch blutig) abegezogenes Ziegenfell dient ihm als Kopfkissen. Ich kann nur vermuten, dass er auf jemanden wartet der ihn hier abholt. Es ist sehr heiß und er hat Durst. Ich gebe ihm etwas Wasser und ein paar Mandarinen. Er sieht wirklich sehr speziell aus, leider möchte er sich nicht fotografieren lassen.

Die Kinder im nächsten Ort sind nett. Sie schreien zwar wieder „STYLO!“ als wäre das mein Name, eigentlich wollen sie aber nur abklatschen. Nach einem ungefähr zwei Minütigem Gespräch mit Omar,  lädt er mich ein bei ihm zu übernachten. Er spricht gutes Englisch, Zähne hat er so gut wie keine mehr, ein Anblick an den ich mich mittlerweile gewöhnt habe. Mir ist das noch zu früh und ich fahre weiter.

Das Kamel am Ortseingang des nächsten Ortes möchte ich ganz sicher nicht fotografieren, kaufen und auch nicht darauf reiten, egal wie hartnäckig ich dazu aufgefordert werde. Lieber verteile ich ein Stück weiter ein paar Mandarinen an einige Kinder bis eine Berberfrau meint „Safi!“-„Genug“. Kurz danach begegnen mir noch ein paar etwas unangenehme, lästige, aufdringliche Jugendliche und ausgleichend dazu einige sehr freundliche alte Männer.

Ein Stück weiter suche ich mir bei Einbruch der Dunkelheit einen ruhigen Biwakplatz.