Imi’n’Ifri -> Tifni -> Ait Tamlil -> Toufrine
Tageskilometer: 73,55 km
Höhenprofil: 1040 -> 1700 -> 1500 -> 1940 (keine Aufzeichnung)

Es ist sehr kalt als ich um 7:00 Uhr auf mein Rad steige und langsam den Berg anfahre. Landschaftlich ist die Strecke super schön und führt immer wieder an kleinen Bergdörfern vorbei und gelegentlich mitten durch.

Auf einem flachen Stück sprinten plötzlich zwei Hunde auf die Straße und bellend hinter mir her. Ich höre einen Mann etwas rufen und der Spuk ist so schnell vorbei, dass ich noch nicht mal richtig Zeit habe mich zu erschrecken.

Kurze Zeit später, ich schiebe gerade mein Rad eine Steigung hinauf, postieren sich zwei Hunde mitten vor mir auf der Straße, fletschen die Zähne und knurren mich an. Wie ich mir für solche Situation vorgenommen habe, nehme ich einen kleinen Stein und hebe die Hand als ob ich damit nach den Hunden werfen wollte. Die Hunde hören augenblicklich auf zu knurren und machen mir bereitwillig Platz. Ich bin sehr angenehm überrascht wie gut das funktioniert. Etwas später am Tag passiert genau das gleiche noch einmal und wieder mit dem gleichen, beruhigenden Ausgang.

Immer wenn ich durch die kleinen Orte fahre erlebe ich wieder das schon vom ersten Tag gewohnte Winken und Jubeln der Kinder und häufig kommen sie angerannt um mit mir im Vorbeifahren abzuklatschen.

Der Anstieg heute fällt mir körperlich sehr schwer, ich habe müde Beine und muss recht viel schieben. So auch, als mir in einem Ort eine traditionell gekleidete Berberfrau mit ihren zwei kleinen Töchtern begegnet. Nach einem kurzen netten „Gespräch“ bei dem wir festestellen, dass wir uns höchstens mit Händen und Füßen unterhalten können schiebe ich weiter. Eines der Mädchen folgt mir, nachdem die Mutter es ihr erlaubt hat und sagt in absolut verständlichem Französich „Je demand un stylo.“. Sie möchte einen Kugelschreiber. Ich sage Nein und sie geht enttäuscht zurück. Hmmmm….. Na gut, ich habe vier Kugelschreiber mit, einen werde ich wohl opfern können. Ich winke sie wieder heran und gebe ihr das heißbegehrte Schreibutensil. Sie freut sich, bedankt sich höflich und sagt „Je demand un stylo.“. Auf meinen fragenden, ratlosen Blick zeigt sie auf ihre kleine Schwester…….. Ich glaube ich habe gerade einen Fehler gemacht. Ich schiebe weiter und da kommen plötzlich  ca. 25 Kinder auf mich zugerannt.

„STYLO!!!“ Oh Mist!

Ich begrüße die Kinder freundlich, rede mit ihnen, „STYLO!!!“, Sie fassen mein Rad an,  meine Taschen, greifen nach meinem Lenker. Ich benutze die Klingel, vielleicht finden sie das ja lustig, „Äsmäk – Wie heißt du?“ Ich frage jedes Kind und manche vermutlich zweimal und wiederhole ihre Namen. „Äsmi Jörg – Ich heiße Jörg“…… „STYLO!!!“, „STYLO!!!“, „STYLO!!!“…. „NON!!!“

„BONBON!!“, „DIRHAM!!!“…. Ich kann inzwischen wieder langsam fahren und versuche hier wegzukommen. Ein schwieriges Unterfangen bergauf, mit müden Beinen und 25 Kindern um mich herum, die an mir und meinem Fahrrad herumfummeln. Einer von den  Kleinen ist recht aggressiv spornt die anderen immer wieder an weiter zu machen. Er beschimpft mich, glaub ich jedenfalls?! Ich konzentriere mich auf ihn versuche mich mit ihm zu unterhalten „STYLO!!!“. So merke ich fast zu spät, dass zwei Kinder hinter mir dabei sind meine zum Glück sehr gut festgeschnallte Regenjacke von den Packtaschen zu ziehen und ein anderer hat schon meinen Packsack geöffnet. Ein weiteres Kind fängt gerade an eine meiner vorderen Packtaschen zu öffnen. Es reicht!

„BARRA!! – HAU AB!!“ brülle ich so laut, aggressiv und autoritär wie ich kann. Es wirkt, die Kinder zucken zusammen und lassen von mir ab, nur der besonders Freche gibt immer noch keine Ruhe. „BARRA!!“…. Jetzt hat auch er mich verstanden. Ich steige in die Pedale und fliehe, anders kann ich das kaum nennen. Keine 500 Meter weiter stehen schon wieder einige Kinder. Ich grüße, winke und sehe, dass zwei der größeren Jungs Steine aufheben. Ich fixiere sie, sage „NON!“ und fahre so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone. Kein Stein fliegt, nichts passiert ich komme unbeschadet durch.

Nach diesem beängstigenden Erlebnis verschnüre ich meine Regenjacke so, dass kein Zipfel mehr herausragt an dem man ziehen könnte und ich schnüre alles so fest, dass es absolut unmöglich ist sie herunterzuziehen. Erst als alles „Kindersicher“ verpackt ist setze ich meine Fahrt fort.

In Ait Tamlil, gibt es ein kleines Cafe, wo man auch ein Omlett bekommen kann und auch eine Gite, ich rausche durch den Ort allerdings ohne Stop durch. In einem der kleinen Orte hinter Ait Tamlil begegnen mir wieder viele freundlich winkende und jubelnde Kinder und rücken das Bild was ich noch im Kopf habe wieder etwas zurecht. Ich kaufe an einem Lebensmittelkiosk Brot und Sardinen für heute Abend und komme mit einigen Leuten ins Gespräch. So ergibt es sich, dass ich einen jungen Marokkaner auf seinem alten Rennrad als Begleitung habe für die nächsten Kilometer. Er ist modern gekleidet mit einer modischen Jeans. In Toufrine möchte er, dass ich mit zu ihm komme und bei seiner Familie übernachte. Er und sein Bruder, der ganz im Gegensatz zu ihm ganz traditionell gekleidet – ich nenne das mal Sack mit Kapuze, es ist ein aus sehr grobem Stoff gefertigt Mantel mit Kapuze den es in verschiedenen Farben gibt – , bedrängen mich geradezu bei ihnen zu bleiben. Ich lehne ab, zum einen waren das genug Erlebnisse für mich heute und ich freue mich schon die ganze Zeit darauf endlich eine Nacht unter freiem Himmel zu verbringen und in die Sterne zu gucken und ich mag es überhaupt nicht so bedrängt zu werden. Sie wirken sehr enttäuscht, als ich weiterfahre.

Während ich so weiter durch die beginnenden Dämmerung fahre begegnen mir noch einige Marokkaner mit denen ich kurze „Gespräche“ führe. Sehr häufig ist eine Verständigung nicht mal auf arabisch möglich. Ich verstehe fast immer nur, dass sie mich einladen bei ihnen zu übernachten. An diese ungewohnte Art der Gastfreundschaft werde ich mich noch gewöhnen müssen.

Erst im letzten Moment bevor hier alles im Dunkeln liegt entdecke ich einen geeigneten Biwakplatz. Ein Stück trage ich meine Sachen einen Hang hinauf, rolle meine Isomatte aus und esse schnell noch ein Fladenbrot mit Sardinen als Abendessen. Jetzt kann ich mich beruhigt zurücklehnen, die Ruhe genießen und in die Sterne schauen.

Ich liege gerade im Schlafsack, als ich ein Licht von einer Taschenlampe den Berg runter kommen sehe. Da läuft jemand geradewegs auf mich zu…. Nein, nicht ganz, ca. 5 Meter läuft er an mir vorbei und scheint mich nicht mal bemerkt zu haben.


Eine Werkstatt morgens früh bevor der Betrieb losgeht.


Die Lehmbauten heben sich farblich nicht von der Erde ab und auf den ersten Blick kann man nur an den bearbeiteten Feldern erkennen, dass sie bewohnt sind


Feldarbeit mit Maultieren und Holzpflügen


Freundlich und friedlich nähert sich der erste Hund der mir heute begegnet


Die Satellitenschüsseln auf den Lehmbauten stören das Bild und lassen die Siedlungen noch ärmlicher wirken. Das ist Fortschritt der meiner Meinung nach für die Leute hier auch keinen Nutzen hat.


Ich liebe solche Strecken