10.09.2010 – 12.09.2010

Col d’Azet (1586) -> Hourquette d’Ancizan (1538) -> La Mongi -> Tourmalet (2115)

80 km

Col d’Azet (Sophie und Quentin)

Die Sonne schickt sich an unterzugehen, als ich mich langsam den Col d’Azet hinauf kurbele. Bis ich oben bin ist es vermutlich dunkel, aber mit etwas Glück finde ich nahe dem Gipfel einen guten Platz zum Schlafen. Wenn nicht werde ich wohl auch mit einem weniger guten Platz vorlieb nehmen, im Dunkeln möchte ich mir die Abfahrt nicht unbedingt antun, schon allein weil ich nichts davon hab, wenn ich nichts sehe. Plötzlich und völlig unerwaret steht ein Mädchen am Straßenrand und fragt mich, ob sie mich zum Bier einladen kann. Sie (Sophie) wohnt hier im LKW am Straßenrand, zusammen mit ihrem Freund Quentin. Sie haben mich gesehen und meinen ich könnte ein Bier vertragen.

Ich bekomme hier nicht nur ein Bier sondern auch noch eine echte marokkanische tajine. Da habe ich so gar nicht mit gerechnet. Quentin und Sophie reisen viel und gerne nach Marokko und Mali, und haben jede Menge Geschichten zu erzählen, die ich mir nur allzu gerne anhöre. Im Moment machen sie ihren LKW für die Überwinterung in den Bergen winterfest,  sie dämmen die Wände und installieren eine Heizung. Im Winter wollen sie hier im Skibetrieb arbeiten. Für das nächste Jahr gibt es noch keine festen Pläne aber jede Menge Ideen. Wenn sie nicht gerade auf Tour in Mali oder Marokko sind, arbeiten oder ihren LKW frosttauglich machen, fahren sie Longboard. Das ist die Downhill-Variante des Skateboardens und gleichzeitig gewissermaßen das Ur-Skateboard. Also so hat alles angefangen. Quentin erreicht dabei Geschwindigkeiten von ca. 100 km/h. Dabei fährt er die Pässe, die ich auch in den letzten Tagen gefahren bin. Er ist also deutlich schneller als ich… bergab und bergauf leider auch, weil er sich per Anhalter wieder hoch bringen lässt und da ihn die Anwohner in der Gegend mittlerweile alle kennen, wird er auch immer recht schnell mitgenommen. Ich bin sprachlos und weiß mit Sicherheit, dass ich mir beim ersten zaghaften Versuch mit so einem Longboard sofort sämtliche Knochen brechen würde.

Hourquette d’Ancizan

Eine mit ganz frischem grün gemalte Bilderbuchlandschaft erwartet mich auf dem Hourquette d’Ancizan. Unzählige Kühe, Pferde und andere Hoftiere beweiden die Hänge. Diese großen und unglaublich grünen Hänge wirken wirklich gewaltig und es ist ein Erlebnis durch diese grüne Welt bergab zu rollen.

Und auch auf dieser Strecke spielen ein paar Franzosen Boule. Die Franzosen spielen überall Boule, ich vermute die Autos werden mit Warndreieck, Fußmatten und Boulkiste unter dem Beifahrersitz verkauft.

Franzosen spielen wirklich überall Boule

Boule

Col du Tourmalet

Seit ich in den Pyrenäen bin höre ich immer wieder von diesem berühmten Pass. Berühmt weil er der erste Pass der Tour de France war und weil er der am häufigsten befahrene Pass der Tour de France ist. Ehrlich gesagt erwarte ich bei dem Bekanntheitsgrad nichts Besonderes. Aber es wird mein höchster Pass in den Pyrenäen und einmal möchte ich auf meiner Tour über 2000 Meter sein.

Der Anstieg von Osten ist wirklich überhaupt nicht schön. Viel zu viel Verkehr und irgendwie verbaut. In Erinnerung bleiben mir beschmierte Lawinenschutztunnel aus altem dreckigem Beton und ein grauenvoller Ski-Ort namens La Mongi. Mir wird allerdings auch die weitere Aussicht von dichtem Nebel versperrt. Bei ruhigeren Strecken auf kleineren Straßen haben solche Nebelfahrten durchaus auch ihren Reiz, hier dagegen herrscht Tristes. Oben auf dem Tourmalet, was ich fast schon befürchtet habe steht ein Restaurant, ein Denkmal und jede Menge Menschen. Eigentlich grauenvoll, aber hier treffe ich die beiden Motorradfahrer Marlene und Stefan wieder, die ich kurz vorher schon kennengelernt habe und so wird der Aufenthalt hier oben auf dem Tourmalet zu einem richtig guten und lustigen Gespräch mit sehr interessanten Menschen bei einer Tasse Kaffee im Nebel auf der Terrasse vom Restaurant. Egal wie lange wir uns hier aufhalten, Aussicht gibt es leider keine.

Das kann ich so nicht stehen lassen. Die Abfahrt nach Westen sieht schon auf den ersten Metern sehr viel interessanter aus als der Anstieg von Osten. Ich bleibe über Nacht hier, auf über 2000 Metern Höhe und hoffe am nächsten Tag etwas mehr zu sehen. Der Nebel verzieht sich in der Nacht und es kommen sogar die Sterne raus. Mit dem Tourmalet bin ich wieder versöhnt.

Anfahrt von Osten auf den Col du Tourmalet

La Mongi

Col du Tourmalet (2115m)

Jörg auf dem Col du Tourmalet

Stefan

Marlene

Col du Tourmalet Abfahrt nach Westen

Col du Tourmalet Abfahrt nach Westen

Frostige Nacht auf dem Tourmalet