04.09.2010 – 06.09.2010

Als ich am Gorges de Calamus die Leute beim Canyoning beobachten konnte, hatte ich mir vorgenommen, das bei Gelegenheit auch mal auszuprobieren. Die Gelegenheit bietet sich mir heute. In Vicdessos folge ich den Schildern eines Anbieters von Canyoning-Touren und habe Glück. Eine Tour startet in einer Stunde. Neoprenanzug und Turnschuhe bekomme ich geliehen, ich binde meine Brille fest und sitze schon im Bus. Drei Stunden wird die Gruppe durch die Schlucht geführt. So eine Schlucht mal von unten zu sehen ist eine völlig neue und eindrucksvolle Perspektive. Die ersten paar 100 Meter gewöhnt man sich noch daran durch das Wasser zu laufen, wir müssen aufpassen, dass wir uns beim Gehen nicht mit den Beinen in den Felsen verhaken, das könnte mehr als nur schmerzhaft werden. Dann rückt das Naturschauspiel in den Hintergrund, es bleibt nicht mehr die Zeit die links und rechts hoch aufsteigenden Felswände zu beachten.

Auch diesem ungewöhnlichen und faszinierenden Ort schenke ich nicht mehr ganz die Beachtung die er verdient hätte. Ich muss mich voll darauf konzentrieren nicht von den fußbreiten, glitschigen Felssimsen abzurutschen. Wenn wir Wasserfälle herunterspringen, muss man darauf achten was der Tourleiter sagt – „schräg nach links springen, rechts ist ein Stein unter dem Wasser“ – Jetzt wo er es sagt, seh ich den Felsen auch.  Wir tauchen unter Felsen hindurch und rutschen kleine Wasserfälle hinunter. Wir seilen uns in engen Schluchten neben einem Wasserfall ab. Gut 20 Meter – vielleicht auch mehr – gefühlt viel mehr. Das Seil reicht nicht immer, wenn du am Ende des Seils bist bleibt noch ein Stück freier Fall. Ein wenig Klettererfahrung habe ich schon bei einem Kletterkurs in der Zeche Helene und beim Survival Kurs bei Armin Hock machen können, aber das hier jagt meinen Adrenalinspiegel ganz weit nach oben.

Bei dieser Tour gibt es Sprünge bis zu 8 Meter Höhe. Ich hatte vorher gefragt und die beruhigende Auskunft bekommen, dass man die hohen Sprünge alle umgehen kann. Das habe ich auch vor, allerdings machen mir da meine Sprachschwierigkeiten einen Strich durch. Ein  Führer winkt uns zu sich und ruft irgendwas, ich folge den anderen Teilnehmern. Zwischen zwei hohen Felswänden geht es angeseilt im Gänsemarsch weiter und ehe ich mich versehe stehe ich auf einem schmalen Vorsprung, links ein Wasserfall und acht Meter unter mir das dunkle Wasser. Fast zum Greifen nah erscheint mir die endlos hohe Felswand vor mir. Hinter mir warten bestimmt 15 andere Teilnehmer, mehr oder weniger ungeduldig darauf auch nach vorne zu kommen. Verdammt, meine Beine werden ganz schwach. Springen muss ich jetzt eh, also bloß nicht lange warten. Ich habe vorher schon beobachtet wohin die anderen gesprungen sind und kaum dass ich auf dem Sims stehe reiße ich die Arme hoch und springe mit lautem Schrei ab. Wow! Es folgen noch ein paar hohe Sprünge, nur nicht nachdenken „n’est pas reflexion!“.

Irre! Das ganze überwältigt mich total. Die Nacht verbringe ich in der Nähe der Stadt im Wald, aber schon am nächsten Tag bin ich wieder vor Ort. An der Basisstation haben die Veranstalter einen großen (70 Stationen) Kletterparcour, den nehme ich heute noch mit. Das klappt zwar ganz gut, aber es ist viel anstrengender als ich gedacht hätte und nach der Aktion bin ich wirklich am Ende meiner Kräfte. Ich schleppe mich noch zu einem Campingplatz im Nachbarort und bleibe gleich zwei Nächte dort. Der Platz kostet nur 5,33 Euro pro Nacht, ist sauber und es gibt einen Lebensmittelverkauf und kostenlos Internet, also alles was mein Herz im Moment begehrt und ich kann meinen Muskelkater auskurieren.