07.09.2010 – 09.09.2010

Vicdessos -> Port de Lers(1516) -> Col de la Cor(1395) -> Col de Portet d’Aspet(1069) -> Col de Mente(1349) -> Col de Peyresourde(1569) -> Val Louron-Azet (1580)

195 km (ca. 3500 Höhenmeter)


Rennradfahrer gibt es hier reichlich. So ein Lastkarren wie mein Rad ist denen hier anscheinend noch nicht oft untergekommen. Zumindest schließe ich das aus ihren Äußerungen und den erstaunten Gesichtern wenn sie mich sehen. Insgesamt herrscht eine gute und freundliche Stimmung am Berg, es wird gewunken, gegrüßt und aufgemuntert. Irgendwie fühle ich mich aber ein wenig als bestaunte oder auch skeptisch betrachtete Kuriosität. Vielleicht haben die ja recht? Vielleicht habe ich mir hier zu viel vorgenommen und hänge gleich fürchterlich in den Seilen.

Diese Gedanken und die sich automatisch aufkommende Konzentration auf Höhenmeter, Kilometeranzeige und Uhr verdränge ich nach ganz weit hinten und konzentriere mich auf die Landschaft, die hier einiges zu bieten hat. Viel Wald und gewaltige Berge, darunter ein paar recht eindrucksvolle und außergewöhnliche Exemplare. Hier und da halte ich auch mal für ein Foto an. Es wächst jede Menge Minze am Straßenrand -> sehr gut für den nächsten Tee.

Langsam und beharrlich  kurbel ich mich, mein Rad und mein Gepäck die Berge hoch. Das mit dem Gepäckgewicht wird vollkommen überschätzt. Schmerzfrei und entspannt komme ich über die Pässe, nur steiler dürften die Anstiege für mich wirklich nicht mehr sein. Wenn ich noch langsamer fahre, dann falle ich vermutlich um.

Bagneres-de-Luchon ist ein wunderschön gelegener, von traumhaften Bergen eingefasster, viel zu großer, viel zu belebter, nicht wirklich französischer…. ein fast schon hässlicher Ort. Der Col de Peyresourde trifft da schon wieder viel mehr meinen Geschmack. Auf dem Anstieg wundere ich mich über die vielen zahlreichen großen Vögel, die wie die Geier kreisen. Geier in Frankreich? Aber was soll das sonst sein. Kurze Zeit später erfahre ich, dass es tatsächlich Geier sind. Es sind Gänsegeier, die sind hier tatsächlich heimisch.

Apropos heimisch, die Braunbären sind hier eigentlich auch heimisch, nur ist leider der letzte einheimische Braunbär trotz strenger Schutzauflagen vermutlich im Jahr 2004 erschossen worden. Das wars  mit den einheimischen Braunbären in den Pyrenäen. Um diesen bärenlosen und damit untragbaren Zustand in den Pyrenäen (Die Pyrenäen ohne Bären sind wie Afrika ohne Elefanten!) entgegenzuwirken wurden Ersatzbären aus Slowenien abgeworben und mittlerweile laufen wieder ca. 20 Bären durch die Pyrenäen. Vor allem die Bauern sind darüber gar nicht glücklich und jetzt ist hier in den Pyrenäen richtig der Bär los. Schriftzüge „Non aux Ours“, frei übersetzt „Nein zu Bären“, fallen mir immer wieder auf den Straßen auf. Nicht selten von schlauen Menschen in „Non aux Pubs“verändert. In der Übersetzung bin ich mir nicht sicher, ich vermute ein französisch-englisch was sehr unüblich in Frankreich ist und vermutlich unter Strafe steht – „Nein zu Werbung“. Damit wurde der Protest jedenfalls auf ein deutlich größeres und vor allem fast weltweit verbreitetes Übel wie die Werbeeinlagen in der Tageszeitung verschoben. Diesem Übel wird normalerweise viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet und niemand würde seinen Protest auf die Straße schmieren, aber ein paar Bärengegner-Gegner haben die schon vorbereiteten Schriftzüge sinnvoll genutzt.

Abgesehen von den Schriftzügen werden auch Bärenattrappen verbrannt und irgendwo in der Gegend wurde ein Rathaus mit Schafsblut beschmiert. Vergifteter Honig wird ausgelegt und schlimmeres. Auf der anderen Seite sollen demnächst die nächsten Bären aus Slowenien einreisen dürfen. Schließlich sind 20 Bären in den Pyrenäen allein nicht wirklich in der Lage eine Pyrenäen-Bärenpopulation aufzubauen und das ist schließlich richtig wichtig. Da man sie sowieso nicht zu Gesicht bekommt (also die Bären) ist das eigentlich nur ein Problem der Schafe, die gelegentlich unter den Bären zu leiden haben, nicht mehr als unter wildernden Hunden und entschädigt werden sie auch…. also die Bauern, nicht die Schafe.

Für die Touristen liegen Werbebroschüren (Pubs?) aus. „Bären sind nicht gefährlich, Bären gehen dem Menschen aus dem Weg. Sie werden keinen Bären treffen. Und was sie tun müssen, wenn sie einem Bären begegnen….“

Man darf gespannt sein, wann der Kampf zwischen Bärengegnern und Befürwortern hier seine ersten Opfer fordert.

Übrigens, vor ein paar Tagen habe ich in einer Zeitung gelesen, dass ein Wanderer von einer Kuh auf die Hörner genommen wurde. Haustiere laufen hier in den Pyrenäen frei umher wie in Island die Schafe und Pferde und in Finnland die Rentiere. Auch Ziegen, Schafe und junge Bullen hab ich schon gesehen. Größere Rinderherden blockieren da schon mal die Straße, mit wiederkauender Gelassenheit. Eine Kuh war wohl nicht so gelassen und hat einen Wanderer aufgespießt. Wie wärs da mal mit einem neuen Protest, so was in der Art von „Nein zu Hörnern an Kühen!!“. Also gewissermaßen ein Horntrageverbot für Kühe…. kommt bestimmt noch.

Non Aux Ours

Gänsegeier