Radtour


->  Igherm -> Tarudant
Tageskilometer: 109,42 km
Höhenprofil: 1660 -> 1850 -> 200

Heute schlafe ich für diese Tour verhältnismäßig lange und sitze erst um 8:30 Uhr wieder auf dem Rad.

Es gibt Orte in denen man sich auf Anhieb wohl fühlt. Igherm ist so ein Ort für mich. So in etwa hatte ich mir die Orte in Marokko vorgestellt. Nicht ganz so quirlig wie Taliouine, Aoulouz oder Demnate, irgendwie freundlich und vor allem wirkt der Ort recht sauber und aufgeräumt. Die Leute sind freundlich und kein bisschen aufdringlich. Nach einer kurzen Kaffeepause mache ich mich entspannt und ausgeruht auf den Weg Richtung Tarudant.

Auf dem Stück sind einige kleine Orte und hier ist hier richtig viel Betrieb. Damit meine ich weniger den Autoverkehr, es sind jede Menge Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche auf der Straße. Das heißt schon mal in erster Linie, dass ich viel mit Winken und Abklatschen beschäftigt bin. Ein Pickup fährt an mir vorbei und von der Ladefläche jubeln mir ca. 25 Jugendliche zu. Der Pickup hält häufig an, um weitere Kinder zusteigen zu lassen. Immer wenn der Wagen anhält hole ich ihn wieder ein, nur um kurz danach wieder überholt zu werden. Nach einigen gegenseitigen Ãœberholvorgängen, halten die Jugendlichen mir von der Ladefläche des stehenden Wagens aus ihre Hände entgegen und ich nehme das Angebot an. Ich rausche also mit über 30 km/h an dem Wagen vorbei und halte meine Hand zum Abklatschen hoch. Klatsch, Klatsch, Klatsch, Klatsch ……. ein cooles Gefühl….. Ein paar Jungs greifen zu und halten meine Hand fest…. Ein beängstigendes Gefühl. Ich verspüre einen kurzen Ruck, komme etwas ins Schlingern,  dann ist meine Hand wieder frei und ich bin an dem Wagen vorbei. Das hätte schief gehen können. Kurz danach überholt der Wagen mich wieder, mir wird begeistert zugewunken und mir fliegen Kusshände, aber auch ein paar Stöcke entgegen die mich zum Glück nicht treffen.

Kurz danach sehe ich vor mir eine Gruppe von Jugendlichen auf der Straße, die sich als sie mich bemerken mit ausgebreiteten Armen als Straßensperre aufstellen. Vorher hatte ich gelesen, man soll bremsbereit darauf zufahren und beschleunigen. Beschleunigen tue ich, aber bremsbereit bin ich so gar nicht mehr, während ich einem am Rand stehenden Jungen freundlich zuwinke und genau auf die Straßensperre zuhalte. „Hau ab oder es knallt gleich fürchterlich“ denke ich mir und schaue gar nicht mehr richtig nach vorne. Im letzten Moment bildet sich eine Lücke für mich. Ich rufe den Jungs noch ein freundliches „Salam aleikum“ zu. Sie winken und grüßen freundlich zurück und ich bin wieder verschwunden. Knapp zwei Kilometer weiter formiert sich die nächste, allerdings weniger bedrohliche Straßensperre vor mir und wird in ähnlicher Weise durchbrochen. Ich frage mich, was wohl passiert, wenn man einfach anhält und sich mit den Jungs unterhält. Vermutlich gar nichts, nur kommt man nicht so schnell wieder weg, oder? Im nächsten Ort spielen ein paar kleine Kinder mit Stöcken und als ich vorbeikomme muss ich mitspielen. Sie sehen mich kommen, postieren sich neben der Straße und als ich vorbeifahre versuchen sie vergeblich mir die Stöcke in die Speichen zu stecken. Irgendwie ist die Fahrt heute spannend.

Ich habe bevor ich hierher gefahren bin überall gelesen, dass die Kinder nur spielen wollen. Auch die, die dich mit Steinen bewerfen, wollen dich nicht verletzen. Heute merke ich deutlich was damit gemeint ist. Die Kinder waren alle freundlich, oder verspielt, etwas übermütig und energisch. Ich habe mich nicht bedroht gefühlt, was nicht heißen soll, dass ich keine Angst hatte, dass was passiert.

Ein Stück vor Tarudant, bei einer Pause am Straßenrand, hält ein Autofahrer neben mir an, drückt mir eine Tüte mit Mandarinen in Hand und fährt weiter….. „Danke!“ … „Ausgerechnet Mandarinen!“. Eigentlich verteile ich in letzter Zeit fleißig Mandarinen unter den Marokkanern und nachdem ich in Igherm noch mal meinen Mandarinenvorrat aufgestockt habe, quillen mir die Mandarinen bald aus sämtlichen Taschen.

Es geht abwärts, 600, 500, 400, 300, 200 Meter. Unten angekommen geht es ganz flach weiter, die Straße verengt sich und ist jetzt nur noch halb so breit wie vorher, der Straßenzustand wird schlechter, der Fahrzeugverkehr nimmt stark zu und Wind kommt auf, natürlich von vorne. Ich möchte mir heute ein Hotel suchen. Auf der Strecke komme ich vorbei am Riad Freja. Das sieht mir zwar von außen viel zu teuer aus, aber es ist schon fast dunkel und ich möchte nicht unbedingt noch nach Tarudant reinfahren. Ich betrete das Riad und komme in einen Innenhof. Malerisch! Mandarinen hängen an den Bäumen und Vogelgezwitscher erklingt…. Das hier ist mit Sicherheit zu teuer für mich! Ich komme in einen zweiten Innenhof… Weniger Malerisch! Ein völlig versifftes stinkendes Schwimmbad…. Vielleicht doch nicht zu teuer?! Endlich treffe ich jemanden vom Personal, er meint allerdings sofort, dass sie voll belegt sind, ehrlich gesagt glaube ich ihm das irgendwie nicht.

Die Brücke über den Qued Sous wird gerade neu gemacht. Die Umgehung geht einfach durch das zur Zeit trockene aber sehr holprige Flussbett.

Ich komme nach Ait Azza und damit auf die N10, damit fängt das Chaos so richtig an. Radfahrer, Mofas, Autos, Taxis, Laster und am Straßenrand Menschen, einige Autowerkstätten. Inzwischen ist es dunkel. Ich überhole zwei Radfahrer, die sich langsam über 10 Minuten wieder zu mir rankämpfen. Einer überholt mich und ich hänge mich in seinen Windschatten. Wir fahren eine Weile ein Art belgischer Kreisel zu zweit. Mein Mitspieler hat riesigen Spaß. Er hat kaum noch Zähne im Mund und eine große und nur notdürftig versorgte Wunde an der Wange. In einem Kreisverkehr trennen sich unsere Wege.

Ich fahre vorbei an der gewaltig wirkenden Stadtmauer aus Stampflehm und durch das Tor „Bob Zorgane“ in die Medina.

In den belebten, geschäftigen Gassen der Medina muss ich schieben. Viele, die mich sehen fangen an zu lachen, vermutlich bin ich mit meinem bepackten Rad hier etwas deplaziert, vermutlich wirke ich auch so als hätte ich mich verlaufen, zumindest fühle ich mich so. Auf jeden Fall ist ein Europäer mit Reiserad nachts in der Medina von Tarudant bestimmt kein alltäglicher Anblick. Ich gehe ins Hotel Tiout. Die Nacht kostet 235 Dirham und das Hotel wirkt sehr nobel und das Personal ist wie gewohnt freundlich und bemüht, aber das Zimmer ist überhaupt nicht sauber, Fußboden, Fensterrahmen und Tür sind beschädigt und das Abendessen, dass ich mir gönne ist recht teuer und eher mäßig.

Taliouine -> Igherm
Tageskilometer: 84,66 km
Höhenprofil: 1120 -> 920 -> 1300 -> 1100 -> 1660

Die Angestellten wohnen in einem kleinen Raum auf der Terasse, in dem im wesentlichen zwei Betten und ein kleiner Tisch stehen. Strom, Licht oder fließend Wasser gibt es  nicht. Einer der Angestellten hat sich einfach mit zwei Decken auf die Terrasse gelegt. Jetzt steht er etwas missmutig auf. Um 6:00 Uhr hat er noch nicht mit mir gerechnet und ich habe ihn wohl geweckt. Aber der Muezin ruft um 5:30 Uhr zum ersten mal zum Gebet und ich nehme das als Aufforderung zum Aufstehen. Wie auch in den letzten Tagen ist die kleine Bettelkatze mit dem gebrochenen Bein sofort zur Stelle, um mit mir zu frühstücken. Die Hunde, die hier in ungefähr 15-Hund starken Rudeln durch die Gegend streifen bleiben in einigem Abstand zum Hotel. Was auch ganz gut so ist, die kleine Katze konnte ich noch ganz gut durchfüttern, bei den Hunden wär es etwas schwieriger geworden.

Es ist herrlich wieder auf dem Rad zu sitzen und die Strecke ist ruhig, landschaftlich beeindruckend und erstmal recht flach. An einer Bushaltestelle stehen ca. 20 Berberfrauen, die aufgeregt anfangen zu winken und zu schnattern als ich vorbeifahre. Alles was ich heraushöre ist ein „Bonbon! Bonbon! Bonbon!“ Ich kann es kaum glauben. Ich habe heute daran gedacht 2 kg Mandarinen einzupacken. Als Gastgeschenk falls ich wieder eingeladen werde, als kleines „endemisches“ Geschenk für die Kinder (die von mir aus voller Ãœberzeugung niemals Geld oder Kugelschreiber bekommen würden und auch tolle „europäische“ Süßigkeiten halte ich nicht für geeignete Geschenke) oder überhaupt als kleine Aufmerksamkeit für Leute mit denen ich rede und natürlich nicht zuletzt als saftige, süße und gesunde Erfrischung für mich zwischendurch. Mit 20 Frauen habe ich nicht gerechnet und damit ist meine Ladekapazität auch eindeutig überfordert. Sie machen auch eigentlich nur Spaß und als ich ihnen erkläre, dass die Mandarinen nur für Kinder sind höre ich lautes, gemeinsam angestimmtes und langezogenes „Oohhhhhh…“ gefolgt von weiterem Gelächter. Nach noch ein wenig amüsantem Tumult setze ich meine Fahrt fort.

Für vielleicht fünfundzwanzig Kilometer treffe ich keinen Menschen, was mir in Marokko bisher noch nie passiert ist, auch werde ich nicht überholt und mir kommen auch keine Autos entgegen. Dann sehe ich unerwartet einen alten Mann auf der Straße liegen. Buchstäblich mitten im Nirgendwo. Er hat sich die Schuhe ausgezogen und ein ganz frisch (noch blutig) abegezogenes Ziegenfell dient ihm als Kopfkissen. Ich kann nur vermuten, dass er auf jemanden wartet der ihn hier abholt. Es ist sehr heiß und er hat Durst. Ich gebe ihm etwas Wasser und ein paar Mandarinen. Er sieht wirklich sehr speziell aus, leider möchte er sich nicht fotografieren lassen.

Die Kinder im nächsten Ort sind nett. Sie schreien zwar wieder „STYLO!“ als wäre das mein Name, eigentlich wollen sie aber nur abklatschen. Nach einem ungefähr zwei Minütigem Gespräch mit Omar,  lädt er mich ein bei ihm zu übernachten. Er spricht gutes Englisch, Zähne hat er so gut wie keine mehr, ein Anblick an den ich mich mittlerweile gewöhnt habe. Mir ist das noch zu früh und ich fahre weiter.

Das Kamel am Ortseingang des nächsten Ortes möchte ich ganz sicher nicht fotografieren, kaufen und auch nicht darauf reiten, egal wie hartnäckig ich dazu aufgefordert werde. Lieber verteile ich ein Stück weiter ein paar Mandarinen an einige Kinder bis eine Berberfrau meint „Safi!“-„Genug“. Kurz danach begegnen mir noch ein paar etwas unangenehme, lästige, aufdringliche Jugendliche und ausgleichend dazu einige sehr freundliche alte Männer.

Ein Stück weiter suche ich mir bei Einbruch der Dunkelheit einen ruhigen Biwakplatz.

Taliouine -> Aoulouz
Tageskilometer: 44,84 km
Höhenprofil:
1020 -> 650  -> Taxi zurück

Ich beschließe für ein oder zwei Tage hier zu bleiben. Mein Barvermögen an Dirhams ist aufgebraucht, ich habe aber noch ein paar Euro, die ich wechseln möchte. Ich fahre also nach Aoulouz zur Bank. Ein Ausflug der sich lohnt. Hier werden Arganenbäume kultivert und ich habe das Gefühl, ich sehe zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Marokko etwas grünes. Während ich die Strecke nach Auolouz bergab rausche geniesse ich diesen erfrischenden Anblick. Die Arganien werden in erster Linie zur Herstellung eines wohlschmeckenden Speiseöls, und zum Teil zur Behandlung von Hautkrankheiten verwendet.

In Aoulouz stehen doch tatsächlich zwei Polizisten am Straßenrand und blitzen zu schnell fahrende Autos und/oder Maultierkarren. Damit hätte ich hier nicht gerechnet. Um 8:30 Uhr bin ich Aoulouz und die Bank ist schnell gefunden. Die Tür ist verschlossen. Ich klopfe an die Glastür und der Türsteher schließt mir die Tür auf und lässt mich ein. Hinter mir wird wieder abgeschlossen. So wird das bei jedem gehandhabt, der die Bank betreten möchte.

In Marokko hat man Zeit! Die Schlange am Schalter bewegt sich nur unmerklich, eigentlich so gut wie gar nicht. Bin ich am Anfang noch von europäischer Ungeduld erfüllt, schon bald schalte ich ab und verfalle in eine Art Entspannungszustand. Was nicht zu ändern ist muss man hinnehmen, oder besser noch, genießen. Ich beobachte die Männer am Bankschalter bei ihrer Tätigkeit, die Kunden, die mit mir in der Schlange stehen und sich offensichtlich in einen ähnlich entspannten Geisteszustand wie ich versetzt haben und den Türsteher. Jeder, der die Bank betreten möchte, wird kurz durch die Glastür angeschaut, dann wird aufgeschlossen und der Kunde wird freundlich begrüßt. Nur einmal wird einer Person der Eintritt verwehrt. Durch die geschlossene Glastür wird dem Kunden freundlich, aber bestimmt zu verstehen gegeben, dass er hier nicht hereinkommt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich an die Reihe, bekomme mein Geld gewechselt und gehe wieder raus auf die Straße. Eigentlich wollte ich mit dem Bus zurückfahren. Ich konnte allerdings, während meiner Entspannungsphase in der Warteschlange durch die Glastür zusehen wie der Bus in die Stadt kommt, hält und für bestimmt 15 Minuten stehen bleibt und auf Gäste wartet, um dann schließlich seine Fahrt wieder fortzusetzen. Auf den nächsten Bus möchte ich nicht warten.

Ich kaufe noch für 10 Dirham Mandarinen ein (2 kg) und zwei Dosen Sardinen. Für die zwei Dosen Sardinen bearbeitet der Verkäufer schon wieder ausgiebig seinen Taschenrechner, um mir dann mitzuteilen, dass er 8 Dirham dafür haben möchte. 4 + 4 ist 8, ich bin mir sicher, dass ein marokkanischer Verkäufer ziemlich gut im Kopfrechnen ist und dafür keinen Taschenrechner braucht.

Der Taxistand ist ein Erlebnis für sich. Die Taxifahrer stehen neben ihren Taxis und rufen den Ortsnamen wo sie hinfahren. „TALIOUINE, TALIOUINE, TALIOUINE!“ Der Preis ist fair, 12 Dirham für mich, das ist auch der Preis den man mir für den Bus gesagt hat und 20 Dirham für mein Rad. Ich baue beide Räder, Spiegel, Kompass und Tacho ab, lade das Rad in den Kofferraum und quetsche mich zu den anderen Mitfahrern in den Wagen. Auf dem Beifahrersitz sitzen schon zwei und hinten sitzen schon drei Personen. Der Fahrer bleibt draußen und ruft erneut „TALIOUINE, TALIOUINE, TALIOUINE!“ Schon bald findet sich ein weiterer Mitfahrer und schafft es irgendwie sich auch noch auf die Rückbank zu zwängen. Jetzt endlich ist der Fahrer der Meinung, dass sein Taxi nun voll genug sei. Jetzt wird erstmal abkassiert. Damit hatte ich nicht gerechnet und ich bin in meiner Beweglichkeit so eingeschränkt, dass ich keine Chance habe an mein Geld zu kommen. Es hilft nichts, die Hälfte der Gäste muss wieder aussteigen damit ich an mein Geld komme und bezahlen kann. Das Geld bekommt nicht der Fahrer sondern ein anderer, vermutlich der Besitzer des Taxis, der Taxifahrer wird von ihm bezahlt und es geht los….. spätestens jetzt weiß ich warum das Geld vorher in Sicherheit gebracht wird. Als Radfahrer hatte ich immer das Gefühl, dass sie rücksichtsvoll und umsichtig fahren, wenn auch ein wenig chaotisch. Aus Beifahrersicht wirkt das doch eher bedrohlich auf mich. Der Fahrer ist Berber und spricht kein Wort arabisch, französisch schon gar nicht. Die anderen Gäste übersetzen, wenn er mich etwas fragt. Die Stimmung im Taxi ist freundlich, gesprächig und lustig. Sammeltaxifahren ist auch preislich eine empfehlenswerte Beförderungsvariante.

Nach einer kurzen Pause im Hotel fahre ich noch mal ein wenig in der Gegend herum und suche mir einen ruhigen Platz irgendwo im Schatten, um mir etwas zu essen zu kochen.

Tazenakht -> Taliouine
Tageskilometer: 83,12 km
Höhenprofil:
1410 -> 1850 -> 1020

Nach einem guten Frühstück – also neben Fladenbrot und Marmelade gibt es auch ein Stück Schmierkäse von der glücklichen Kuh – starte ich um 7:15 Uhr. Die Polizeikontrolle kurz hinter der Stadt winkt mich durch und wünscht mir eine gute Fahrt. Die Polizisten haben auffällig gute, strahlend weiße und vor allem noch alle Zähne. Also selbst für europäische Verhältnisse auffällig weiß, aber hier in Marokko  ist das wirklich ein bemerkenswerter Anblick.

Bei sehr angenehmen Temperaturen und fast keinem Fahrzeugverkehr auf der Straße fühle ich mich richtig wohl. Es geht vorbei an zahlreichen Verkaufsständen für Fossilien, Tonkrüge, Blechkessel und ähnlichen Souveniers, die ich mir sicherlich nicht auf mein Rad laden möchte. Die Verkäufer versuchen mich trotzdem alle an ihren Stand zu locken.

Ein kleines Moped, besetzt mit zwei Personen, kommt mir entgegen und blinkt schon von weitem auf.  Als sie näher kommen winken sie nicht zurück, sondern zeigen mir deutlich an, ich solle umdrehen und zurückfahren. Ich bin etwas irritiert. Ist das jetzt eine Warnung vor irgendetwas, ein Hinweis dass ich hier nicht durchkomme, wieder nur ein Versuch mich zu den Verkaufsständen zurückzuschicken oder einfach nur Spaß? Ich halte es für Blödsinn und fahre weiter. Als dann ein Stück weiter, ein Militärlaster mit einem Panzer auf der Ladefläche vor mir auf der Straße steht komme ich nochmal ins Grübeln. Ob der Hinweis von den Mopedfahren vielleicht doch ernst gemeint gewesen ist? Auf der Ladefläche sitzen zwei Soldaten und trinken Tee. Ich winke, grüße und einer der beiden springt sofort vom Laster, kommt auf mich zu und spricht mich an. Wie bei vielen Gesprächen in den letzten Tagen können wir uns nicht wirklich unterhalten (ich muss wirklich meine Sprachkenntnisse verbessern), aber für ein kurzes woher und wohin reicht es. Der Mann ist herzlich, freundlich, findet ganz toll dass  ich Marokko mit dem Rad bereise. Dann fahre ich weiter und ärgere mich ein wenig, dass ich ihn nicht gefragt habe,  ob er was dagegen hat wenn ich ein Foto mache.

In einem winzigen Ort entdecke ich ein Cafe, zumindest steht ein Schild an der Straße, was darauf schließen lässt, dass ich hier einen Kaffee bekommen kann. Während das Kaffeewasser auf dem Gaskocher langsam erhitzt wird nehme ich Wasser aus dem Brunnen vor dem Eingang. Der Inhaber des Cafes bietet mir Safran zum Kauf an.

Safran gilt als teuerstes Gewürz der Welt und ist in der Gegend um Taliouine ein bedeutender Wirtschaftszweig. Im Mittelalter wurde Safran mit Gold aufgewogen,  was reichlich Safranfälscher auf den Plan gerufen hat. Es wurde entweder versucht das Safran schwerer zu machen indem es mit Öl bedampft wurde oder es wurden andere Blütenfäden daruntergemischt. Wer dabei erwischt wurde, der hatte nichts Gutes zu erwarten. Auch heute noch finden sich teilweise Safranfälschungen auf den Märkten.

Nach einer Bilderbuchabfahrt nach Taliouine mache ich im Hotel Safran Station. Ich gönne mir ein gutes Zimmer für 200 DH und genieße für den Rest des Tages die Ruhe und das angenehme Klima auf der Hotelterrasse und widme mich meinem Tagebuch.

Abgesehen von der Gruppe Kinder, die mir kaum, dass ich in den Ort eingefahren bin, vom Straßenrand her Englischsprachige derbe Beleidigungen zurufen, gefällt mir Tazenakht sehr gut. Der Ort ist überschaubar, nicht ganz so quirlig wie die größeren Städte und ich fühle mich hier irgendwie willkommen. Bevor ich mir ein Hotel suche gehe ich noch in einem kleinen Lebensmittelkiosk einkaufen. Zwei Flaschen Wasser  kosten 12 DH, dazu ein Fladenbrot und eine Dose Sardinen. Er tippt eine ganze Weile ziemlich ziellos auf einem Taschenrechner herum und zeigt mir das Ergebnis (37,5 DH). Ich sage „17“ und noch 4 Schokoriegel (Stück für 1 DH). Er tippt wieder wild auf seinem Taschenrechner. Das Ergebnis seiner Berechnung 45DH. Ich gebe ihm 20DH und frage ob das so OK ist. Er meint, dass wäre OK und ich fange an einzupacken. Er fängt wieder an seinen Taschenrechner zu bearbeiten, nach einer Weile meint er ich müsste ihm noch 12DH geben. Ich unterbreche meinen Packvorgang und lächle ihn an. Er tippt von neuem los. Schließlich meint er 2DH müsste ich ihm noch geben. Ich gebe ihm die verlangten 2DH worauf er mir noch 50 Centimes zurückgibt…. ?!. Die ganze Preisverhandlung läuft angenehm und freundlich ab. Ich möchte nicht ausschließen, dass er einfach seinen Taschenrechner nicht wirklich bedienen kann, vermutlich hat er aber einfach versucht seine Waren zu Touristenpreisen an den Mann zu bringen. Sardinen, Brot und Schokoriegelpreise kenne ich allerdings inzwischen. Im Hotel Taghdoute bekomme ich ein großes, schönes und sauberes Doppelzimmer mit Toilette und heißer Dusche für unschlagbare 80 Dirham (umgerechnet ca. 8 Euro). Ein echtes Wohlfühlzimmer, ich überlege schon ob ich hier für ein oder zwei Tage Station machen soll.

Zum Tagebuchschreiben setze ich mich auf der Terrasse ins Cafe. Kaum habe ich mir einen Tisch ausgesucht, noch bevor ich auf dem Stuhl sitze, setzt sich Omar auf den Platz neben mir. Omar spricht sehr gutes Deutsch, das reicht schon, um bei mir diverse Alarmglöckchen bimmeln zu lassen…. Mal sehen was er mir verkaufen möchte. Er hat ein marokkanisches Deutschbuch dabei und zeigt mir Fotos von dem Hotel in Marrakesch, in dem er demnächst arbeiten möchte. Ich lade ihn auf einen Thé à la menthe ein und wir quatschen eine ganze Weile. Irgendwann kommt er doch dann tatsächlich mit seinem Onkel, der ein Teppichgeschäft um die Ecke hat. Er würde sich freuen wenn ich mir das Geschäft mal ansehen würde. Irgendwie komme ich mir fast vor wie in einem Film, nur dass ich ganz sicher nicht mit ihm zu seinem Onkel gehen werde. Auch nach meinem deutlichen „Kein Interesse!“ quatschen wir noch eine ganze Weile, dann mache ich mich daran mein Reisetagebuch zu füllen.

Ein paar Frauen, jede einen großen Strauß frisch gepflückter Planzen unter dem Arm kommen ins Cafe und starten ein lautes, lustiges und sehr lebendiges Gespräch. Sie schnattern, gackern und lachen ohne Luft zu holen. Sie wechseln ständig die Plätze, um sich neben ihren aktuellen Gesprächspartner zu setzten. Dem nicht enden wollenden in arabisch geführten bla, bla, bla kann ich natürlich nicht mal ansatzweise folgen, aber das ist bei einer Gruppe Deutscher wild durcheinander schnatternder Frauen auch nicht anders.

Gelegentlich steht eine der Frauen auf  und geht zu dem kleinen Grünstreifen an der Cafe-Terrasse. Ich hätte das was da wächst als Blumendekoration bezeichnet, hier denkt man praktischer. Die Frauen pflücken die „Blumendeko“ nach und nach auseinander und ergänzen so ihre Erntesträuße. Vermutlich landet das alles im Kochtopf. Ich hätte gerne gefragt was das alles im einzelnen ist, aber mit der arabischen Bezeichnung für eine Pflanze deren deutschen Namen ich nicht mal kenne, kann ich nicht besonders viel anfangen.

Ich schaue mir meine weitere Route auf der Karte an und frage einen jungen Marrokaner, wie stark der Verkehr auf der Nationalstraße Richtung Taliouine ist. Es ist schon lustig, wie ich ihm mit meinem experimentalfranzösisch meine Frage erkläre und anschließend seine Antwort enträtsel. „Nicht viele Autos auf der Strecke nach Taliouine!“. Ein anderer Mann kommt jetzt zu mir und möchte mir die gleiche Frage beantworten. Dann kommt eine der Grünpflanzenpflückerinnen. Sie ist ganz in schwarz gekleidet, mit schwarzem Kopftuch. Ihr Handy trägt sie wie ein Schmuckstück an einer Halskette. Sie spricht ausgezeichnetes Englisch. Nachdem ich ein paar Worte mit ihr gewechselt habe, kommen die anderen Frauen aus der Gewürzpflanzenrunde und immer mehr weitere Gäste aus dem Cafe dazu. Das Geschnatter, das ich vor ein paar Minuten noch amüsiert verfolgt habe, hat jetzt ein neues Zentrum … MICH !

Ich erzähle was ich hier mache, eine der Frauen hält mich am Arm fest und redet ebenso eindringlich wie unverständlich auf mich ein. Ich gebe eine Antwort, die ihr von irgendjemanden übersetzt wird und alle lachen. Das Geschnatter und Gelächter hört gar nicht mehr auf. Gelegentlich übersetzt mir die englischsprechende Frau ein paar Sätze, so dass ich halbwegs mitbekomme worüber gerade gesprochen wird und ich auch mal was dazu sagen kann.

« Vorherige SeiteNächste Seite »