Demnate


Bei einem kurzen Streifzug durch den kleinen Ort nahe der Auberge entdecke ich einen Lehmofen, der vermutlich regelmäßig zum Brotbacken genutzt wird. Die Häuser sind teilweise aus Lehm und Stroh, teilweise aus Lehmziegeln oder Steinen und teilweise auch auf moderne Art gemauert. Überwiegend ist alles hier sehr ursprünglich und es ist sehr faszinierend für mich das mit eigenen Augen zu sehen.

Ich mache einen kurzen Ausflug mit dem Rad runter nach Demnate und kaufe Couscous und Gemüse, Wasser und Brot. Auch das ist interessant, Couscous gibt es nur in 1-kilo Packungen. Als ich dem Verkäufer sage, dass mir das viel zu viel ist läuft er los und holt eine radfahrerfreundliche frisch abgepackte Menge, die ich dann mehr oder weniger geschenkt bekomme. Ein wenig smaltalk gehört zum Einkauf dazu und macht es mir leichter mich hier nach und nach einzugewöhnen. Ein Minisprachkurs beim Gemüsehändler, ein paar Späße am Lebensmittelkiosk, alles sehr entspannt und freundlich.

Ich fahre wieder nach Imi’n’Ifri zurück und möchte dort schnell einen Kaffee trinken und dann irgendwo in der Nähe meinen Kocher ausprobieren und mir Couscous mit Gemüse kochen. Kaum sitze ich, steht ein Europäer vor mir und spricht mich an. Peter kommt aus England, er hat mich gerade mit dem Rad in Demnate gesehen und wollte mich dort schon ansprechen, aber ich habe ihn nicht gehört. Jetzt ist er mit seiner marokkanischen Gastfamilie mit dem Auto nach Imi’n’Ifri gefahren und hat mich hier erwischt.

Peter ist zwischen 2005 und 2008 über einen Zeitraum von ca. 36 Monaten von  Japan nach England geradelt. Jetzt fährt er von England nach Südafrika, er möchte an der Westküste Afrikas entlangfahren, was sehr unüblich ist. Die meisten Afrikaradler fahren die Ostküste. Seine Reise beschreibt er auf auf der Seite the big africa cycle. Bei seiner Reiseroute kann man davon ausgehen, dass es eine sehr interessante Tour wird.

Im Moment wohnt Peter für ein paar Tage in Demnate bei einer Familie, die er schon von England aus über das Internet kennengelernt hat. Nach einem obligatorischen Tee nehmen sie mich mit dem Auto mit nach Demnate und laden mich zum Essen ein. Für mich ist das Treffen mit Peter ein echter Glücksfall. Er kann mir einiges erzählen und ein paar Tipps geben und die Einladung zum Mittagessen, die sich aus diesem Zusammentreffen ergeben hat ist für mich die Erfüllung der still gehegten Hoffnung, einmal hier in einem Privathaushalt mit den Einheimischen zu essen. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, zum einen komme ich wegen der genannten Sprachschwierigkeiten vielleicht nur schwer in Kontakt, dann muss ich dem der die Einladung ausspricht auch noch vertrauen, schließlich möchte ich anschließend keine Rechnung präsentiert bekommen – den Leuten zu Vertrauen ist eine Sache, der eigenen Menschenkenntnis zu trauen noch mal eine andere – und es muss auch zeitlich in meine Tour passen, dieses mal habe ich schließlich ein vergleichsweise begrenztes Zeitfenster.

Wir sitzen in der kleinen Küche um einen niedrigen Tisch auf winzigen Hockern, als wären sie für Kinder gemacht. Wir essen mit den Fingern, sie haben uns Gästen zwar auch Gabeln hingelegt, aber man möchte sich ja anpassen. Es gibt Fleisch, Gemüse und irgendetwas was ich nicht kenne. Der Vater spricht ausgezeichnetes Englisch und es wird eine sehr gesprächige und lustige Runde. Nach dem Essen gibt es, wie könnte es anders sein, natürlich noch einen Tee und dann bringen sie mich noch zurück nach Imi’n’Ifri. Ich lasse ca. 1,5 kilo Äpfel als Gastgeschenk da, die ich in aller Eile noch besorgt habe.

Am späten Nachmittag drehe ich noch eine kurze Runde mit dem Rad und setze mich irgendwo hin und koche mir einen Tee, eigentlich nur um zu testen, ob der Kocher Probleme macht.

Es ist schon wieder dunkel, als ich zur Auberge zurückkomme und mich in meinem Zimmer verkrieche.

Mit den ersten Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster dringen bin ich auch schon wieder wach. Um das Haus zu verlassen muss ich ein schweres Eisengitter, das vor dem Eingang steht zur Seite stellen, die Kette mit der es festgemacht ist wurde zum Glück nur lose herumgewickelt. Steht das Gitter hier wegen der Hunde?

Von der Herberge aus kann man direkt herunterlaufen und sich die Naturbrücke von unten anschauen. Dort finde ich auch frisches, fließendes Wasser und kann mich waschen. Sehr erfrischend, bei den immer noch frostigen Temperaturen bin ich danach auf jeden Fall richtig wach. Unter der Naturbrücke leben wie auch in Deutschland unter den meisten Brücken – Tauben – manche Dinge sind eben überall gleich. Ich gehe zur Auberge zurück und packe meine Taschen. Von der Terrasse aus kann ich das Treiben auf der Straße beobachten. Die Leute fahren in vollen und übervollen Kleinbussen vorbei, teilweise stehen noch ein oder zwei Personen bei offener Tür hinten auf dem Bus und halten sich fest.

Die Hunde sind wieder da. Sie laufen jetzt ruhig und friedlich die Straße entlang. Jetzt sehe ich auch ein paar Hunde in der Nähe ruhen. Das ist die Gelegenheit. Ich muss wissen wie die Hunde auf mich reagieren. Ich gehe raus und mehr oder weniger direkt auf eine kleine Dreiergruppe zu. Zwei Hunde ziehen sich zurück, einer bleibt da, kommt sogar zu mir, sucht meine Nähe und kuschelt sich an mein Bein, ganz friedlich. Ich beschäftige mich eine Weile mit den Tieren und kann keinerlei Aggression feststellen. Zwei Marokkaner, die die Straße entlang kommen erklären mir, dass im Moment eine Hündin läufig ist und die Rüden hinter ihr her sind und miteinander um sie kämpfen. Das ist der Radau gestern Nacht gewesen. Menschen gegenüber sind die Aidis (die Bezeichnung für Hund in einem Berberdialikt) friedlich. Erleichtert, setze ich mich auf die Terrasse von der Auberge und trinke einen Kaffee. Eine marokkanische Familie, die hier in der Gegend Urlaub macht spricht mich an kaum dass ich sitze und ein paar Minuten später laden sie mich auf einen Thé à la Menthe ein. Der Vater spricht Englisch und so können wir uns prima unterhalten. Die Hunde kommen teilweise zu uns an den Tisch, aber nur um zu schnuppern, nicht um zu betteln. Der Umgang der Marokkaner mit den Hunden ist freundlich bis gleichgültig, keinesfalls ängstlich oder feindselig. Während wir uns unterhalten, gesellen sich andere marokkanische Gäste dazu, so dass ich als die Familie ihre Reise fortsetzt, die nächsten Gesprächspartner habe. Diese wechseln dann gegen einen Franzosen, der schon 20 mal Marokko mit dem Wohnmobil bereist hat und seine deutsche Frau.

Der Wirt ist wirklich sehr nett und seine Angestellten sind sehr bemüht. Ich habe vorher oft gelesen, dass die Bedienungen in Marokko sich häufig etwas unsicher und unbeholfen verhalten, dabei sind sie aber sehr sympathisch in ihren Bemühungen ihre Gäste zufriedenzustellen. Ich muss jetzt richtig schmunzeln das zu beobachten und selbst Ziel ihrer Bemühungen zu sein. Ich glaube, sie verstehen einfach nicht so richtig was die komischen Touristen so wünschen.

An das Zimmer habe ich mich gewöhnt und die Milben haben es letzte Nacht nicht geschafft mich aufzufressen (vermutlich war denen auch einfach zu kalt), sie werden es auch in der nächsten Nacht nicht schaffen. Ich beschließe also noch eine Nacht hier zu bleiben, es ist mir inzwischen einfach zu spät geworden noch loszufahren.


Dachterasse der Auberge Imi’n’Ifri und der Eingang zu meinem Zimmer


Auberge Imi’n’Ifri


Naturbrücke


Naturbrücke