Marrakesch


Nachdem ich am Flughafen Menara-Marrakesch meine Taschen fluggerecht umgepackt habe, mein Rad in Frischhaltefolie verpackt wurde und ich meinen letzten Dirham ausgegeben habe erfahre ich am Check-In-Schalter, dass der Flieger in Deutschland erst gar nicht gestartet ist. Schneetreiben in Deutschland verlängert meinen Aufenthalt hier in Marokko. Gegen 22:00 Uhr habe ich dann auch schon die Info, dass ich morgen früh um 10:00 Uhr nach Frankfurt-Hahn fliegen kann. Nur, dass ich da gar nicht hin möchte. Die Alternative dazu wäre in drei Tagen nach London gewesen. Da ist mir Frankfurt schon lieber, dann bin ich wenigstens schon mal in Deutschland. Der Rest wird sich dann finden.

Das Rad wieder auspacken, die Taschen wieder umpacken, nach Marrakesch fahren ein Hotel suchen und morgen früh wieder alles ver- und umpacken….. Schlaf würde ich da nicht viel finden. Im Flughafen darf ich nicht schlafen, der wird gleich abgeschlossen. Also geht es mit Handgepäck plus 15 kg Tasche plus verpacktem Fahrrad in den Bus…. Die Taxifahrer weigern sich das Rad zu transportieren!?!?! „Geht nicht! Viel zu sperrig! Das Rad kriegen wir nicht ins Auto!“ Was soll das denn jetzt?

Den ganzen Kram über den Djemaa el fna und ein Hotel gesucht. Zum Glück habe ich einen Leidensgenossen dabei. Er kann mir beim Tragen helfen, hat allerdings selber auch ein wenig Sperrgut dabei. Er war zum Surfen in Marokko. Das ganze ist schon etwas problematisch, aber es funktioniert. Von unserer Last befreit ziehen wir dann noch gemeinsam über den Djemaa el fna und die angrenzenden Verkaufsgassen, was ein intensives Erlebnis ist. Die Hartnäckigkeit der Verkäufer ist beeindruckend, von allen Seiten wird man ohne Unterlass angesprochen. Der Platz bei Nacht ist unbeschreiblich. Neben den Garküchen und den Verkaufsständen, den Zigarettenverkäufern und den vielen Gauklern, die die unterschiedlichsten und absurdesten Schows darbieten gibt es hier auch kirmesähnliche Stände an denen man seine Geschicklichkeit testen kann.

Am nächsten Morgen fahren wir nach einem hervorragenden Frühstück mit dem Taxi (heute ist die Fahrt mit Sperrgepäck wieder makein mushkil – Kein Problem) zum Flughafen und warten dort sehr lange, aber diesmal nicht vergeblich, auf den Check-In.

In Frankfurt-Hahn suche ich mir am Flughafen eine ruhige Ecke um mein Rad auszupacken und finde sie unter einem Weihnachtsbaum in der Flughafenhalle.

Imlil -> Asni -> Tahnaout -> Marrakesch
Tageskilometer: 68,68 km
Höhenprofil: 1950 -> 450

Von Imlil nach Asni ist die Strecke schön, auf dem Hinweg konnte ich in der Dunkelheit fast nichts davon sehen. Von Asni Richtung Marrakesch nimmt der Verkehr stetig zu. Es geht zwar fast nur bergab, aber ich fahre heute gegen den Wind.

Strecke: Marrakesch ->

Mein Tag beginnt sehr früh. Als der Muezin um 5:30 Uhr zum Gebet ruft bin ich schon fleißig dabei meine Taschen zu packen. Bei der Hektik am Flughafen gestern habe ich alles irgendwie in die Taschen gestopft, jetzt kommt da wieder eine gewisse Ordnung rein. Vor 7:00 Uhr mache ich mich zu Fuß auf zu meiner Einkaufsrunde, der Mann, der mich gestern reingelassen hat schläft noch, auf einer Pritsche an der Rezeption. Ich lasse ihn schlafen und mache mich auf den Weg. Die großen 200 Dirham Scheine, die ich am Flughafen bekommen habe,  möchte ich in einer Bank gegen brauchbareres Kleingeld eintauschen, meine Benzinflasche füllen und Lebensmittel einkaufen.

Die Entfernungen in Marrakesch habe ich unterschätzt, es ist viel weiter als ich dachte bis zur Bank, aber ich schaffe es pünktlich um 8:00 Uhr da zu sein. Leider öffnet die Bank nicht pünktlich. Ich werde erst gegen 8:15 Uhr reingelassen und auch nur damit ich mich drinnen auf eine bequeme Couch setzen kann. Die warten hier noch auf  irgend etwas bis sie den Schalterbetrieb aufnehmen. Nach weiteren 30 Minuten werde ich bedient. In Marokko hat man Zeit…. das habe ich vorher oft gelesen. Gut, dass ich gleich zu Beginn daran gewöhnt werde.

… Jetzt aber schnell 😉 zum Supermarkt. Mit den Entfernungen habe ich mich wirklich völlig verschätzt. Der große Supermarkt ist leicht zu finden, nur sind die „Eingänge“ verschlossen. Ich umrunde das Gebäude, sehe dabei viele Straßenkinder, die vor den verschlossenen „Eingängen“ schlafen. Entweder existiert der Supermarkt nicht mehr oder ich bin schon wieder zu früh. Schließlich lande ich auf einem kleinen Marktplatz. Hier bekomme ich Obst, das soll reichen. Auf dem Rückweg komme ich durch die engen Gassen der Medina, hier hätte ich gleich hingehen sollen. In kleinen Läden, die zur Straße hin verkaufen bekommt man hier eigentlich alles was man gebrauchen kann. Etwas ungewöhnlich, für europäische Verhältnisse ist der Metzger. Ganze Tierhälften hängen, scheinbar frisch geschlachtet vor dem Laden über der Straße. Ich kaufe noch ein wenig Brot und gehe weiter zum Djemaa el Fna.

„Willst du einen Affen kaufen?“ ….. „Nein!!!“, auch wenn  ich die armen Tiere gerne aus ihren engen Käfigen befreien würde. Kaum hat man so einen Affen, fangen die Probleme erst an, und was so ein Tier im Unterhalt kostet. Neeee, keinen Affen bitte.

„Willst du einen Affen fotografieren?“….Ach so, daher weht der Wind, ich hatte mich schon über die erste Frage gewundert. Er wird schließlich nicht gerade viele Affen an Touristen verkaufen. „Nein, fotografieren möchte ich auch nicht!“ Das ist zwar gelogen, aber ich möchte jetzt nicht über den Preis für ein Foto diskutieren, überhaupt will ich jetzt gar nicht diskutieren. Es ist schon 11:00 Uhr und ich möchte mich langsam auf’s Rad schwingen und losfahren.

Kurz hinter dem Affenmann, stehen die Schlangenbeschwörer. Mein Widerstand ist gebrochen, der „Schlangenfotoverkäufer“ ist geschickt und ich darf zahlen. Aber ich hab mein Schlangenfoto!

Ich mache mich auf den Weg, auf altbewährte Weise. Ich will die Stadt nach Osten verlassen, also fahre ich nach Kompass Richtung Osten. Es klappt, wenn auch alles andere als auf dem kürzesten Weg. Eine prima Gelegenheit, noch ein paar Straßen von Marrakesch kennenzulernen. Nach einigen Irrwegen bin ich auf der Straße nach Ait Ourir gelandet, mein GPS-Gerät bestätigt mir, dass ich auf der richtigen Straße bin….. mit etwas Ãœbung hätte mein GPS-Gerät mich bestimmt auch zielstrebig aus der Stadt geführt. Beim nächsten Mal vielleicht.

Im gleichen Maße wie ich mich von der Stadt entferne wird der Verkehr um mich herum ruhiger und ich werde es auch.


Strecke: Menara Airport – > Marrakesch
Tageskilometer:
7,25 km

Der Landeanflug auf Marrakesch ist herrlich. Die Stadt sieht schon von oben anders aus als alles was ich bisher gesehen habe. Erdfarben mit eng beieinander stehenden würfelartigen Häusern. Drum herum erdfarbenes Land und weit hinten die dunklen Schatten der Berge in blau-schwarz und darüber roter Himmel und der volle Mond. Ich steige aus dem Flugzeug aus und stehe auf dem Flugfeld. Ãœber dem Flughafengebäude mit der arabischen Aufschrift steht der Mond. Ich sehe wie mein Fahrrad und mein Gepäck aus dem Flugzeug  geladen wird. Prima, alles gut angekommen. Ich lasse mir etwas Zeit mich darüber zu freuen gut hier angekommen zu sein und zum ersten Mal marokkanische (afrikanische) Luft einzuatmen…… Zu viel Zeit! Als ich mich endlich vom Flugfeld in das Flughafengebäude begebe, haben sich vor den 25 Schaltern der Passkontrolle lange Schlangen gebildet. Ich reihe mich ein und warte. Es dauert endlos lange, bis ich endlich an der Reihe bin. Ich muss ein kleines Formular ausfüllen und hier abgeben. Name / Vorname / Passnummer und Ausstellungsdatum, das ist kein Problem. Hotelname und Telefonnummer während des Aufenthalts in Marokko…. Ich lasse das mal frei. Der Beamte trägt auf Nachfrage „circuit“ also Rundreise ein.

Nach der Passkontrolle kann ich mir ohne weitere Verzögerungen Rad und Gepäck schnappen und den Zollbereich verlassen. Ich suche mir eine ruhige Ecke und mache mein Rad fahrbereit. Ein Flughafenangestellter weist mich mehrfach darauf hin, dass ich mich beeilen soll. Der Flughafen wird gleich abgeschlossen…. Kaum angekommen, schon im Stress, und das soll Urlaub sein. Fliegen ist für mich wirklich die am wenigsten entspannte Reiseart.

Ich mache mich auf den Weg nach Marrakesch. Die Fahrt vom Flughafen zum Djemaa el Fna ist ein irres Erlebnis. Die Straße ist „belebt“, der Verkehr bewegt sich „zügig“ und chaotisch. Die Autos und die hoffnungslos überladenen Transporter haben meistens Licht. Die zahlreichen Mofas und kleinen Motorräder fahren eher selten mit Licht und die Fahrer sind fast immer ohne Helm unterwegs. Die kleinen Motorräder sind mit ein bis vier Personen besetzt. Ganze Familien sind so teilweise unterwegs. Der Vater fährt, ein Kind sitzt mit dem Rücken zur Fahrtrichtung auf seinem Schoß, die Frau sitzt hinten und zwischen den Beiden ist irgendwie noch genug Platz für ein zweites Kind. Kinder die zu klein sind, um sich selber festzuhalten werden gelegentlich auch auf dem Arm getragen, mit dem anderen Arm kann man sich noch festhalten. Auch Jugendliche fahren teilweise in laut krakelenden Kleingruppen auf einem Motorrad, einer sitzt häufig auch mit dem Rücken zur Fahrtrichtung.

Zwischen all den motorisierten Fahrzeugen fahren noch ein paar unbeleuchtete Fahrräder und ich. Überholt wird da wo gerade Platz ist. Die meisten Fahrzeuge sind laut und die Hupe ist bei einigen Fahrzeugen vermutlich das einzige was einwandfrei funktioniert. Unmittelbar vor mir ereignen sich während meiner kurzen Fahrt zwei leichte Auffahrunfälle.  Beide Male weiche ich kurz auf den Bürgersteig aus.

Trotz all dieser Hektik fühle ich mich nicht in Gefahr über den Haufen gefahren zu werden. Ich habe den Eindruck, dass die Fahrer diesen Trubel gewöhnt sind und man merkt, dass sie trotz aller Hektik aufpassen und rücksichtsvoll fahren. Solange ich auf das aufpasse was vor mir ist und keinem der lichtlosen Radfahrer hinten reinfahre und selber beim Überholen aufpasse, passiert mir hier bestimmt nichts. Ich würde sagen, jeder fährt da wo Platz ist und nicht da wo er seiner Meinung nach fahren darf. Mit der Fahrweise kann ich mich sehr gut arrangieren. Vermutlich bin ich übrigens der am besten beleuchtete Verkehrsteilnehmer heute Abend.

Geschafft, ich bin am Djemma el Fna angekommen. Noch mehr Trubel, Lichter, Geräusche, Menschen, Farben und ganz viel Bewegung. Ich blende das erstmal aus und suche mir ein Hotel. Im Hotel Mimosa bekomme ich ein Zimmer mit Waschbecken für 70 Dirham. Das Zimmer ist ganz schön, wirkt auf mich aber ein wenig wie eine Gefängniszelle. Keine Ahnung, ob das an den hohen, gekachelten Wänden liegt oder an dem vergitterten Fenster zum Innenhof. Egal, mein Rad kommt mit ins Zimmer, ich gehe noch mal kurz auf die Dachterasse und werfe einen Blick auf den Djemma el Fna, dann gehe ich schlafen.