Imlil


Imlil -> Asni -> Tahnaout -> Marrakesch
Tageskilometer: 68,68 km
Höhenprofil: 1950 -> 450

Von Imlil nach Asni ist die Strecke schön, auf dem Hinweg konnte ich in der Dunkelheit fast nichts davon sehen. Von Asni Richtung Marrakesch nimmt der Verkehr stetig zu. Es geht zwar fast nur bergab, aber ich fahre heute gegen den Wind.

Wanderung über den Jebel Tasghimout

Heute lasse ich mich von einem Bergführer (Hassan) über den Jebel Tasghimout führen. Die Besteigung des Jebel Toubkal lässt sich als anstrengende Zweitagestour bewerkstelligen, theoretisch sogar in einem Tag hin und zurück. Aber für mich ist das nichts. Ich glaube nicht, dass ich abgesehen von erheblichen Kosten und ebenso erheblichem Muskelkater viel davon hätte. Die Wanderung über den Tasghimout ist entspannt zu schaffen.

Wir gehen zuerst durch das Dorf und machen noch einen kurzen Stop bei Hassan zu Hause. Sein Vater sitzt gerade draußen und bereitet „Zahnbürsten“ aus Baumrinde vor. Anstelle von Zahnbürste und Zahnpasta kann man zur Zahnreinigung, neben vielen anderen Methoden auch einfach Baumrinde kauen. Die reinigende Wirkung ist dabei aber abhängig von der Baumart unterschiedlich. Welche Bäume hier in Marokko besonders geeignet sind weiß ich nicht. Hassan’s Vater sagt es mir zwar, aber in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Auf dem größten Hobo-Ofen, den ich bisher gesehen habe wird gerade Wasser gekocht. Nach meinen Versuchen aus kleinen Konservendosen Hobo-Kocher herzustellen (Man kann ja nie wissen, wann der Benzinkocher wieder ausfällt) bin ich von der 10 Liter Version ganz begeistert.

Auf dem Hochplateau treffen wir drei Ziegenhirten, die gerade Tee auf einem kleinen Lagerfeuer kochen und setzen uns dazu. Wir werden auf ein Glas Tee eingeladen und teilen was wir  an Essbarem dabei haben. „Auf ein Glas Tee muss man wörtlich nehmen. Es gibt nämlich nur ein Glas für alle fünf Personen. Als Tourist bekomme ich das Glas als erster. Dass ist aber auch schon die einzige Rücksichtnahme und Beachtung die mir hier zuteil wird. Ich genieße diese Lagerfeuerromantik auf dem Berg.

Beim Abstieg bin ich dann wirklich froh, dass Hassan als Führer dabei ist. Den Pfad hätte ich vermutlich nicht so leicht gefunden und es geht sehr steil über loses Gestein und schroffe Felsen abwärts. Hassan läuft hier herunter als würde er in einer Fußgängerzone spazieren gehen. Ich dagegen weiß oft nicht wohin ich den nächsten Schritt setzen soll.

Wir kommen zurück zu Abderaihns Haus. Er hatte mir schon gesagt, dass er viele Gäste erwaret, die die Beschneidung seines jüngsten Sohnes feiern wollen, aber mit einem derartigen Volksfest habe ich nicht gerechnet. Vor dem Haus spielen zahllose Kinder, die kaum dass wir in Sichtweite kommen auf uns zu kommen und mich „Monsieur Vélo“ nennen. Das Haus ist weit über die statische Belastungsgrenze von feiernden Frauen belagert. Zum Teil ist es mir rätselhaft, wie sich so viele Menschen gleichzeitig in einem Raum aufhalten können. Insgesamt schätze ich, halten sich im Moment mehr als 100 Menschen hier im Haus auf. Sie singen und lachen, kochen Tee und trommeln. Im Flur sind Gaskocher aufgestellt, die im Dauergebrauch sind. Die Teezubereitung wird nur gelegentlich unterbrochen, um die Handtrommeln vorsichtig über der Flamme anzuwärmen. Mein Rad steht unversehrt am Rande des Trubels und die Tür zu meinem Zimmer ist verschlossen. Unter ständigem Grüßen bewege ich mich langsam durch die glücklichen Menschen und mache mich auf die Suche nach Abderaihn, um ihn nach dem Schlüssel zu fragen. Die Feierlaune der Menschen ist ansteckend, am liebsten würde ich mich direkt dazu setzen und mitfeiern oder doch zumindest beobachten. Als ich Abderaihn endlich finde und ihn frage ob das möglich ist, ist er völlig überrascht „Das sind alles Frauen! Willst du etwa bei Frauen sitzen? Da ist kein Mann dabei!“ Er kümmert sich erstmal darum, dass ich etwas zu essen bekomme und sorgt dafür, dass ich in der Rückzugsebene (Dachterasse) einigermaßen meine Ruhe habe. Ein paar Kinder, die sich gerade dort oben aufhalten erheben sofort Anspruch auf mich als Spielkamerad. Nachdem wie gewohnt reichhaltigem Essen werde ich von dem anstrengenden Tag müde, schlängel mich durch die Partygesellschaft zu meinem Zimmer und lege mich schlafen. Die Geräuschkulisse hindert mich nicht im mindesten daran einzuschlafen.

Imlil: Wanderung nach Sidi Chamharouch

Am Morgen, gegen 6:30 öffne ich die Augen und die Haustür und sehe direkt einem Schaf in die Augen das auf der Terrasse des gegenüberliegenden Wohnhauses steht. Eine fußkranke Ziege humpelt mit einem Verband am Fuß durch die holperigen Gassen des Dorfes. Die Frauen waschen ihre Wäsche im fließenden Wasser vor dem Haus. Das hat meine Wäsche auch dringend nötig. Zur allgemeinen Belustigung bei den Frauen schnappe ich mir meine Wäsche und geselle mich zu ihnen. Auf der Dachterrasse bekomme ich ein herrliches und reichhaltiges Frühstück und mache mich zu Fuß auf den Weg nach Imlil.

Auf dem Weg treffe ich zwei nette Jugendliche, die mir intensiven arabisch Unterricht erteilen. In Imlil geht das „Verkäufer abwimmeln“ wieder los. „Nein, ich möchte nichts kaufen! Ich möchte deinen Laden nicht anschauen und ich möchte auch nichts was du verkaufen möchtest fotografieren!“

Was ich wirklich gerne fotografieren möchte ist das Baugerüst, das ich auf dem Weg hierher gesehen habe. Ich bin aber zu scheu (man könnte es auch taktvoll nennen) die arbeitenden Leute auf dem Baugerüst zu knipsen. Das Gerüst ist „sehr gewagt und improvisiert“. Die Metzgereien in Marokko sind üblicherweise schon ein ungewöhnlicher Anblick für europäische Augen. Die Auslagen beim Metzger hier in Imlil sind heute aber besonders auffällig. Ein Foto mache ich aus den gleichen Gründen wie beim Baugerüst nicht. Die Metzger verkaufen ihre Waren über eine Art Ladentheke zur Straße hin. An der Theke hängt eine Leber, über der Theke baumelt ein Magen. Ich vermute der Magen gehört zu dem Ziegenkopf, der am Ohr aufgehängt ebenfalls von der Theke baumelt und von dem noch langsam das Blut auf die staubige Straße tropft. Auf der Straße liegt noch ein ebenfalls sehr frischer Kuhkopf.

Auf dem Weg nach Sidi Chamharouch muss ich zunächst wieder zahlreiche lästigen und penetranten Souvenir Verkäufer ignorieren, dann führt ein schöner, steiniger aber gut zu laufender Weg den Berg hinauf. Ich weiß, dass bei Sidi Chamharouch die nächsten Souvenierverkäufer auf mich warten und drehe um sobald ich die Gebäude sehen kann. Nach einer Picknickpause überholen mich drei junge Männer (die Verkäufer von Sidi Chamharouch) auf dem Weg in ihren Feierabend. Sie haben mich gesehen und wollen wissen, warum ich umgedreht habe ohne sie zu besuchen. Sie fragen hartnäckig und, ich würde sagen gerade noch freundlich nach Zigaretten oder Schokolade….. jetzt ist klar, warum ich umgedreht habe und mir das ersparen wollte?

Ich merke hier in Imlil deutlich, dass es ein Touristenort ist. Das Internet kostet das doppelte vom üblichen Preis (also 8 anstelle von 4 Dirham pro Stunde) ist aber auch doppelt so schnell. Die Mandarinen kosten auch das doppelte und die sind natürlich nicht doppelt so lecker. Beim Brotverkäufer versuchen die Jungs mich übers Ohr zu hauen und die Souvenir-Verkäufer sind hartnäckiger und zahlreicher als sonst in den Orten die ich besucht habe. Sehr positiv ist mir der Outdoorladen in Imlil aufgefallen, der einzige den ich in Marokko gesehen habe. Dort gibt es von Trekkingnahrung über den Schlafsack bis hin zu den Steigeisen alles was man für eine Toubkal Besteigung benötigt. Die meisten Ausrüstungsstücke kann man hier auch mieten.