Frankreich


09.08.2010 – 10.08.2010

Port de la Selva -> Garriguella -> Sant Quirc de Colera -> Mas Pils -> Espolla -> La Vajol -> Las Illas -> Céret

105 km


Vorbei an dem Benediktinerkloster Sant Pere de Rodes, das mir in den letzten Tagen immer wieder angepriesen wurde. Ich genieße hier vor allem die Aussicht und die Vorfreude auf die sich anschließende kurvenreiche Abfahrt. In dieser Nacht habe ich in meinem offenen Zelt ohne Innenzelt reichlich Gelegenheit die einheimischen Mücken zu füttern, was mich bis tief in die Nacht beschäftigt. Am nächsten Morgen kann ich deutlich sehen, dass ich gute Arbeit geleistet habe und gebe den Versuch die Einstiche auf meinen Handrücken zu zählen recht bald auf, die Haut sieht in etwa aus wie Sandpapier oder eine Rauhfasertapete.

Von La Vajol aus geht es in ca. 700 Metern Höhe zurück nach Frankreich. Von da an kann ich rollen lassen.

Sant Pere de Rodes

Grenze Frankreich Spanien in der Nähe von Las Illas

27.07.2010

Ille-sur-Têt -> Caixas -> Argelès-sur-Mer -> Col-de-Banyuls -> L’Escala

155 km


Bis Caixas fahre ich auf einer traumhaft schönen, bergigen Waldstrecke. Hier stehen reichlich Korkeichen die größtenteils bereits „abgeerntet“ wurden, man hat den Eichen gewissermaßen die Hosen ausgezogen. Abgesehen von ein paar Rennradfahrern, die alle sehr überrascht sind mich hier in den Hügeln zu sehen, bin ich alleine auf der Strecke.

Argelès-sur-Mer mit Argelès-Plage: OK, zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich das Mittelmeer. Ich hatte noch nie das Bedürfnis hierher zu kommen. Strand, Sonne und Trubel schrecken mich in der Kombination doch sehr ab. Jetzt wo ich hier bin finde ich es nicht halb so schlimm wie erwartet, aber ich bin ja auch gleich wieder weg. Der Strand allerdings ist für mich eine nicht betretbare Zone. Eine riesige Sandfläche ohne auch nur einen Hauch von Schatten, nur gleißende, alles vernichtende Sonne. Ich schieße mein Foto vom Rand aus und fahre weiter.

Die eigentlich geplante Strecke über den Col de Mollo ist leider als gesperrt gekennzeichnet, so muss ich ein kurzes Stück Hauptstraße fahren. „Ekelhaft“, Kopf abschalten und die 6 Kilometer abrollen. Bei Banyuls-sur-Mer geht es auch schon wieder auf super schöner, allerdings mit 18% für mich eindeutig zu steiler Strecke weiter auf den Col de Banyuls.

Spanien begrüßt mich mit einer ruhigen, beschaulichen Strecke, Rindern auf der Straße und ein paar kleinen – vier Haus ein Hof – Orten. Alles wunderbar bis ich auf die C-31 komme. Diese „gelbe – überregionale Verbindungsstrecke“ ist ausgebaut wie eine Autobahn. Auf dem breiten Seitenstreifen ist Radfahren sehr sicher und entspannt, aber da man so gar nichts zu sehen bekommt – nur Straße und Leitplanke – überhaupt nicht abwechslungsreich, totlangweilig und sehr ermüdend. Oder liegt das vielleicht an den heute gefahrenen Kilometern und dem geschobenen Col de Banyuls?

Als ich bei meiner Gastfamilie (siehe auch hier „Dodge Charger Restauration“ und hier „Limousin Rinder„) an ihrem Ferienhaus , in Escala ankomme ist keiner da. Ich komme aber auf den Hof und kann mich unter der Gartendusche frisch machen. Neben dem Pool lasse ich mich nieder, koche mir lecker Nudeln und öffne entspannt und glücklich eine Dose Bier.

26.07.2010

Renne-les-Bains -> Bugarach -> Gorges de Gàlamus -> Caramany -> Ille-sur-Têt

65 km


Zufällig, wie eigentlich immer, komme ich heute gleich an drei Sehenswürdigkeiten vorbei.

Zunächst führt mich meine Route durch Bugarach und damit vorbei am Bugarach (Berg).  Noch zufälliger treffe ich hier Erich. Erich, der erste Deutsche überhaupt, der mir auf dieser Tour begegnet berichtet mir von den zahlreichen alten und auch sehr neuen Mythen und Legenden, die sich um den Bugarach und die Katharer ranken. Die Burg auf dem „Pech de Bugarach/Lichterberg“ soll die letzte Festung der Katharer in ihrer Auseinandersetzung mit den päpstlichen Truppen hier gewesen sein.

Gorges de Gàlamus:

Auf meiner Karte als schwierige, gefährliche und schöne Strecke  eingezeichnet, zieht mich diese Strecke an. Das könnte ja interessant werden! Wird es! Die vom „Pech de Bugarach“ kommende Agly hat mit dieser Schlucht ein großartiges Naturwunder erschaffen. Ich nehme mir viel Zeit für dieses Stück und die Leute, die ich am Grund der Schlucht beim Canyoning beobachten kann bringen mich auf die Idee, das auch mal zu versuchen… später mal.

les Orgues d’Ille-sur-Tet:

Diese über sehr lange Zeiträume gebildete markante, an Orgelpfeifen erinnernde Gesteinsformation ist durch ständige Erosion weiterer Veränderung unterworfen. Man kann sie auch direkt besichtigen, aber schon der Blick von der Straße aus ist lohnend.

24.07.2010 – 25.07.2010

Col de Port -> Tarascon-sur-Ariège -> Foix ->  Montbel -> Espéranza -> Renne-les-Bains

125 km


Nach einer herrlichen ca. 10 Kilometer langen Abfahrt heute früh stelle ich verschiedene Veränderungen in meiner Umgebung fest. Einige hatten sich in den letzten Tagen schon dezent angekündigt, andere kommen jetzt sehr überraschend. Ich fahre durch Tarascon-sur-Ariège eine große, bunte, belebte Touristenstadt und so ähnlich, wenn auch etwas abgeschwächt sind die weiteren Orte durch die ich komme ebenfalls… bunt und belebt, etwas aufgeräumter und gleichzeitig etwas chaotischer, eben touristischer. Viel Commerzielles und volle Cafes und Restaurants. Die kleineren französischen Orte haben auf mich bisher eher ruhig und etwas verschlossen gewirkt. Hier ist jetzt richtig was los. Zwischen den Gebäuden mischen sich immer mehr Gebäude im mediteranen Stil. Ich merke hier deutlich die Nähe zu Spanien und auch die Vegetation wird südlicher. Vereinzelt tauchen Agaven, Feigen Kakteen, Palmen auf, daneben reichlich dorniges Gestrüpp und verschiedene andere Pflanzen, die ich, wenn ich nicht die ein oder andere vielleicht schon mal in Marokko gesehen habe, eigentlich nur aus Wohnzimmern und Gewächshäusern bzw. überhaupt nicht kenne. Dass auch die Temperaturen „südlich“ und für mich kaum zu ertragen sind mag ich gar nicht mehr erwähnen. Eine ca. 8 cm grosse Gottesanbeterin, die vor mir die Straße überquert verdeutlicht mir noch mal, dass ich mich schon recht weit in den Süden vorgetastet habe.

Die Veränderung ist nicht zu krass, es ist mehr eine Ankündigung von dem was mich erwartet, wenn ich über die Pyrenäen nach Spanien wechsel.

17.07.2010 – 23.07.2010

Tarnos -> Bidache -> Laas -> Aren -> Arudy -> Lanne -> Montrejeau -> St. Gaudens -> Audinac -> Col de Portel -> Col de Port

460 km

Temperaturen vergleichsweise erträglich, etwas Regen der zusätzlich abkühlt.



In Frankreich gibt es an jeder Ecke verschiedenste und teilweise aufs übelste verschimmelte (der Kenner spricht von veredelt)  Käsesorten. Freilich ist der Großteil dieses farbenfrohen Sortiments auch in Deutschland erhältlich, aber hier in Frankreich drängt sich die Käsetheke, wie übrigens auch die Meeresfrüchte, doch sehr in den Vordergrund. Ich versuche mich nach und nach an diesen Käsekuriositäten. Die meisten sind überraschenderweise wirklich essbar. Ich will nicht so weit gehen sie als lecker zu bezeichnen, aber – sagen wir interessant. 🙂 Was man in Frankreich nicht unbedingt dem Gastgeber sagen sollte, da „C’est intéressant“ hier eine höfliche Version von „Schmeckt nicht!“ ist und so leicht als Beleidigung aufgefasst werden kann. Ich meine jetzt also „interessant“ in einer weniger französischen Bedeutung.

Jedenfalls kaufe ich mal wieder eines dieser interessanten Päckchen  und beim Öffnen erzeugen Geruch und Aussehen „spontane Ablehnung“ – um meine wahren Empfindungen mal französisch, diplomatisch, abgeschwächt auszudrücken.

Probieren ist Pflicht! Nach wenigen Versuchen gebe ich aber auf, verschließe und entsorge das Päckchen. Am Abend habe ich Durchfall und Magenschmerzen, was aber auch andere Gründe haben kann oder eine eingebildete Reaktion ist. Es drängt sich mir im Moment die Frage auf „Wie erkenne ich bei mir unbekanntem Schimmelkäse, dass er schlecht geworden ist?“ Aufkommender Ekel ist kein eindeutiges Indiz für die nicht Essbarkeit. Bei der ersten Begegnung mit z.B. einem Harzer Roller ging es mir auch nicht besser… und bei der zweiten und dritten auch nicht.

Die gewaltigen Berge der  Pyrenäen zu meiner Rechten, radel ich immer noch recht zielstrebig durch die hügeligen Ausläufer des Gebirgsmassivs. In einigem Abstand zur Küste  wird die Gegend von einem großen Wald dominiert. Die Temperaturen sind insgesamt erträglich im Moment, es hat sich etwas abgekühlt und regnet auch manchmal ein wenig was zusätzliche Kühlung verschafft.

Dass mir die Kette reißt war abzusehen, ich hätte sie längst austauschen oder zumindest ölen sollen. Die hier zahlreich auftretenden amerikanischen Rennradfahrer bieten mir im Vorbeifahren hilfsbereit ihre Unterstützung an. Ich nehme das Erlebnis zum Anlass, mich endlich mal wieder um Öl für die Kette zu kümmern. Mein Kettenöl ist leider ausgelaufen und schon seit längerem leer. In Bayonne habe ich dummerweise nicht daran gedacht und ansonsten stoße ich auf nicht besonders viele Fahrradgeschäfte auf meiner Route. In der nächsten Autowerkstatt wird mir schnell und unkompliziert ausgeholfen.

Ich treffe Petra aus Holland. Mit der ersten Tourenradlerin, die mir auf dieser Tour begegnet halte ich einen längeren netten Plausch am Wegesrand. Petra fährt die Pyrenäen entlang von Ost nach West, auf französicher Seite und trifft ihre Familie am Atlantik. Sie hat eine nette und zuendegedachte Geschäftsidee und auch schon die passende Internetseite dazu, nur sich dazu durchringen ihre Idee  auch umzusetsen konnte sie sich bisher nicht.

Hunde mögen keine Radfahrer, bzw. sie mögen sie besonders gerne, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall stürzen sie sich mit Vorliebe und lautem Gebell auf diese  plötzlich und geräuschlos daherkommenden seltsamen Gefährte auf zwei Rädern. Hier in Frankreich ist normaler- und glücklicherweise ein Zaun zwischen dem Radfahrer – also mir – und dem Hund. Normalerweise, aber nicht immer. Heute werde ich beim Durchfahren eines kleinen Dorfes gleich von fünf Hunden gleichzeitig begrüßt. Zwei kommen von hinten rechts und drei von vorne links. Da mir so etwas nicht zum ersten Mal passiert habe ich mal nach Tipps für solche Situationen gesucht und ein Tipp war “ (1)anhalten, (2)absteigen, (3)das Rad zwischen sich und die Hunde bringen, (4)und langsam weiter gehen…. OK Teil 1,2 und 4 kann ich jetzt mal ausprobieren… Teil 3 wird schwierig im Moment. Aber es funktioniert auch so, die Hunde ziehen sich fast augenblicklich zurück.

Am letzten Tag dieses Reiseabschnitts steht meine erste Bergetappe an. Die Pässe sind für Radler ausgeschildert und mit mittleren und maximalen Steigungsangaben versehen. Zunächst aufwärts über den Col de la Crouzette auf den Col de Portel (1432 m) dann geht es steil durch eine waldige Strecke bergab und dann wieder aufwärts auf den Col de Port (1250 m).

Das Wetter ist heute regnerisch, kalt, teilweise sehr kalt und neblig. Der Wald ist durch Nebel und Regen mystisch verwandelt und die wenigen Menschen, die ich in den winzigen Ansiedlungen treffe sind freundlich und genauso glücklich und zufrieden wie ich.

Obwohl es noch viel zu früh ist bleibe ich heute auf dem Col de Port. Von hier aus habe ich eine grandiose Aussicht und in dem kleinen Info Center kaufe ich mir noch ein Stück Ziegenkäse von einem Hof aus der näheren Umgebung… Beim Auspacken stelle ich fest, der Käse ist nicht verschimmelt und schmeckt würzig und lecker 😉

12.07.2010 – 16.07.2010

Mein Aufenthalt in Bayonne ist zweigeteilt. Zuerst besuche ich Nicole, die allerdings leider schon am nächsten Tag in Urlaub nach Portugal fährt. Ich kann mich aber weiterhin dort aufhalten. Ihre Söhne Mathieu und Yohan wohnen zur Zeit dort und ich habe Gelegenheit sie ein wenig kennenzulernen.

Mathieu Dupuy ist professioneller Street Skater. Er arbeitet für einen Hersteller von Boards, von Schuhen und einen Bekleidungshersteller. Er und andere Street Skater werden für Presentationen in verschiedene europäische Großstädte geflogen. Dort ziehen sie ihre Show ab und wenn sie Glück haben können sie auch noch ein paar Tage länger bleiben. Er ist schon ganz schön rumgekommen auf diese Weise und hat vermutlich schon alle europäischen Hauptstädte gesehen. Auch in Marokko und China hatten sie schon Events. Schaut euch die Videos mal an, ist echt beeindruckend. Knochenbrüche sind in diesem Job nicht ausszuschließen. Also Mathieu, pass auf dich auf!

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Yohan Dupuy ist freischaffender Künstler. Er erstellt Grafiken zum Beispiel für Fantasy Spiele, Cover von Spielekartons und Fantasy-portraits. bei den Fantasy-portraits schickt man ihm ein Foto von einer Person und er erstellt auf dieser Grundlage ein Bild von dieser Person in einer surrealen, fantastischen Umgebung.

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Mein Tretlager ist hin. Die Anzeichen sind die gleichen wie auf meiner Tour in Island. Damals war kein Ersatz zu beschaffen und die Reparatur hat sich sehr in die Länge gezogen. Ich fahre also zum Fahrradgeschäft und stelle mich auf eine längere Aktion ein. Zuerst schickt man mich ein wenig hin und her, dann spreche ich endlich den Mechaniker. Er ist recht hektisch und meint erstmal ich solle schnell schon mal alles auseinanderbauen, er guckt sich das gleich an, und schon ist er wieder verschwunden. Er scheint schwer unter Zeitdruck zu stehen. Als er zurück kommt stellt er fest, dass nicht das Lager hin ist sondern das Gewinde im Rahmen. Zuerst meint er noch, er könne das nicht nachschneiden, dann holt er doch den passenden Gewindeschneider und Ruck Zuck sitzt das Lager wieder fest. Geld möchte er zu meiner Überraschung nicht mal haben. Ich schraube also wieder alles zusammen und stelle die Schaltung nach. Hochzufrieden mache ich mich auf den Weg zu meinem momentanen zu Hause.

Nach ein paar Tagen Pause im Haus von Nicole mache ich mich auf den Weg zum Strand „Plage du Métro“ in Tarnos. Ich fahre über einen alten Weg, der sich in bemitleidenswertem Zustand befindet.  Vorbei an einigen „Resten“ von Bunkern aus dem zweiten Weltkrieg. Größtenteils bunt bemalt fügen sie sich wie Kunstwerke in die Landschaft ein. Ein paar Zelte stehen dazwischen und wenn ich nicht eine Verabredung mit Yohan und ein paar seiner Freunde am „Plage du Métro“ hätte würde ich auch hier bleiben. Der Weg endet leider vor einem großen Sandberg, ich entdecke hinter dem Berg eine Straße und schiebe mein Rad durch den Sand. Dabei kommt, schon aufgrund der vielen Stachelpflanzen ein echtes Wüstenfeeling auf 😉 . Abgesehen davon kann ich schon mal trainieren,  denn auf dem Weg zum Treffpunkt geht es noch mal ein gutes Stück durch den Sand.

Die Wellen sind gewaltig und die Brandung schlägt donnernd auf den Strand. Die Sonne, der Wind und diese unbeschreibliche Brandung machen den Tag hier zu einem sehr besonderen Erlebnis. Am Abend kommen Yohan, Audry und Silvy dazu und wir sitzten bis tief in die Nacht am Lagerfeuer. „Am zweiten Lagerfeuer“ das erste hat uns eine vorwitzige Welle, der ungewöhnlich weit auf den Strand kommenden Flut, gelöscht. Die Löschwelle ist erst einen halben Meter vor meinem Lager ausgelaufen, danach hat sich das Wasser zum Glück wieder zurückgezogen. Unter meiner Anleitung backt Yohan sein erstes Stockbrot, wovon er sehr begeistert ist.

Wenn man im Mondlicht im nassen Sand scharrt funkelt der Boden kurz wie ein Sternenhimmel. Das sind irgendwelche besonderen Algen, die kurzzeitig das Mondlicht reflektieren…. genau weiß ich nicht wie das funktioniert, aber es sieht zauberhaft aus. Der ganze Tag, erst die Bunkerstraße, dann das Meer und der Strand und schließlich der Abend haben eine ganz tolle, besondere Atmosphäre. Ich habe mir schon heute früh vorgenommen, die Tour ab jetzt wieder etwas langsamer angehen zu lassen und dieser Tag ist ein guter Wendepunkt.

Den nächsten Tag verbringe ich alleine hier am Strand und genieße die Atmosphäre. Dann geht es weiter Richtung Mittelmeer.

05.07.2010 – 12.07.2010

Nevers -> Bayonne

780 km

unverändert Heiß! vielleicht noch schlimmer als im letzten Abschnitt

Nach zwei Tagen Pause im Garten einer Familie, die ich auf der letzten Tour kennengelernt habe (chambre d’hotes, die Familie ist leider nicht da, aber nach einem Anruf erlauben sie mir im Garten zu schlafen) geht es weiter. Ich komme in einen guten Fahr-und-Schlaf Ryhtmus. Bin morgens sehr früh unterwegs und schlafe mittags nach dem Essen für gute zwei Stunden irgendwo im Schatten, meist im Wald. Danach fahre ich bis kurz vor Sonnenuntergang. Abgesehen von einem Tag Pause auf einem von Holländern geführten „Camping à la ferme“ bin ich jeden Tag unterwegs. Ich fahre für meine Verhältnisse weiterhin recht lange Etappen zwischen 90 und 165 Kilometern.

Ich habe mich schon an anderer Stelle über Nacktschnecken ausgelassen, diesmal erwischt mich eine voll und kriecht mir während einer Schlafpause in meinen Hut. (Das nehm ich persönlich!) Es ist unglaublich was für Schleimmengen diese Viecher hinterlassen können und ebenso unglaublich wie schwer es ist den Schneckenschleim wieder rauszuwaschen.

Meine Route führt mich durch eine der am dünnsten besiedelten Regionen Frankreichs, durch die Region Limousin, die nach den überall hier anzutreffenden Rindern benannt wurde. Die Limousin-Rinder sind eine Fleischrasse, also keine Milchkühe, die auch auf der Pedd-Farm, bei der ich eine Weile gearbeitet habe gezüchtet werden. In der hügeligen Landschaft geht es für mich bis auf 700 Meter Höhe.

Die Sonne lässt den Asphalt kochen. Der Straßenbelag wirft Blasen, die beim Überfahren zerplatzen und das Bitumen bleibt an meinen Reifen kleben. Das kann nicht gut sein für meine, eh schon fast durchgefahrenen Reifen. Vor mir kommt ein Traktor ins Schlingern, genauer der Anhänger… ich auch. Vor Schreck? Oder weil ich auf dem glitschigen Bitumen ausgerutscht bin? Keine Ahnung, ich lande im Graben und kann einen Sturz gerade noch verhindern. Der Traktor steht. Einer der Reifen am Anhänger ist platt, schwarz glänzend und deformiert, man könnte fast meinen der Reifen sei geschmolzen. Das klebrige Bitumen ist nicht gut für die Reifen, das hatte ich mir ja schon gedacht.

Massiv verändert sich die Landschaft, als ich in Langon in den „Parc Naturel Regional des Landes de Gascogne“ fahre. Die Orte in diesem großen, überwiegend mit Pinien bewachsenen und absolut flachem Waldgebiet liegen weiter auseinander und wirken auf mich völlig anders. Vermutlich durch ihre isolierte Lage im Wald. Auf den ca. 20 Kilometer langen Strecken zwischen den kleinen Orten begleitet mich laut und unaufhörlich das Zirpen der Zikaden oder Grillen.

Bei Peyrehorade stehe ich plötzlich vor, bzw. unter einer Eisenbahnbrücke, die ich auf der Karte mit einer für Autos, Fußgänger und Radfahrer verwechselt habe. Als ich meinen Fehler einsehen muss, habe ich aber überhaupt keine Lust mehr zurückzufahren. Ich suche eine Weile bis ich den kleinen, von Brombeeren und Brennesseln völlig verwachsenen Trampelpfad auf dem Bahndamm finde. Auf dem Weg ist es gerade noch möglich mein Rad hochzuschieben. Neben den Schienen kann ich mein Rad „zügig“ über die Brücke schieben und finde zum Glück auf der anderen Seite einen ähnlichen Weg wieder zur Straße.

Gegen 12:00 Uhr komme ich in Bayonne an, wo ich von Nicole, die ich in Marokko kennengelernt habe, und ihrer Familie sehr freundlich aufgenommen werde. Hier mache ich ein paar Tage Pause. Ich warte auf einen neuen Reifen „Schwalbe Marathon Plus Tour“ den mir meine Mutter postlagernd nach Bayonne geschickt hat. Werde versuchen mein wackelndes und klopfendes Tretlager repariert zu bekommen. Daneben muss ich mein Tagebuch, dass ich in letzter Zeit kaum geschrieben habe, nachtragen und ich möchte, dass sich die Haut unter der großen Blase an meiner Fußsohle erholt. Vor zwei Tagen habe ich die Blase an einem sehr heißen Tag, nach einer offensichtlich viel zu langen Etappe leider erst am Abend bemerkt.

Limousin Rinder

Limousin Rinder

Limousin Rinder

28.06.2010 – 03.07.2010

Perl -> Nevers

610 km

HEIß!!! jeder Tag deutlich über 30°C fast 40°C

Normalerweise baue ich ab 25°C deutlich ab. So ca. 10% pro Grad über 25°C gehen mir verloren. Ab 35°C bin ich damit auf Null und muss mich mühsam und voll auf lebenserhaltende Funktionen konzentrieren. Also atmen und schwitzen…

Ich bin selber sehr überrascht, wie ich es im Moment schaffe – ohne zu leiden – ca. 100 km täglich zurückzulegen, mich auf französisch durchzufragen und auch sonst noch alles hinzubekommen was man auf einer Radtour so machen muss. Daneben bin ich natürlich intensiv mit Atmen und Schwitzen beschäftigt. Ich teile mir die Etappen ein, starte sehr früh und liege um die Mittagszeit für vier bis fünf Stunden im Schatten – atmen und schwitzen – dann starte ich wieder und fahre bis die Sonne untergeht. Daneben trinke ich möglichst kaltes Wasser in großen Mengen und heissen Kaffee in etwas kleineren Mengen, konzentriere mich darauf nie zu kämpfen (vor allem am Berg) mich nie wirklich anzustrengen… immer locker, immer unverkrampft, immer im Einklang bleiben. Notfalls noch einen Gang runterschalten oder kurze Schattenpausen einlegen.

Das derzeit wichtigste Ausrüstungsstück ist mein Hut, meine Mütze oder wie auch immer man dieses schlabberige Stück Stoff nennen möchte. Mein Hut hält die direkten Sonnenstrahlen erfolgreich ab und immer wieder bitte ich Leute die ich im Garten sitzen sehe “ pouvez vous me mouiller mon chapeau, s’il vous plaît“? können Sie mir bitte meinen Hut  nass machen? Mit kaltemWasser getränkt und  tropfnass aufgesetzt, lässt es sich leben. Das hält lange vor, weil durch die Verdunstungskälte dem Kopf ständig Wärme entzogen wird…herrlich, funktioniert übrigens auch mit warmem Wasser, auf das ich zurückgreifen muss, wenn ich gerade niemanden treffe. Die 3,5 Liter Wasser, die ich dabei habe sind nämlich entweder leer oder, wenn ich doch mal etwas übriggelassen habe zumindest nicht mehr kalt.

Orientierung:

Einen Versuch, eine eigentlich gar nicht so schrecklich stark befahrene Hauptstrasse zu vermeiden, breche ich erfolglos ab.

Ich folge zunächst einem gut befahrbaren Waldweg, der dann aber zunehmend in die falsche Richtung führt. Die Wegbeschreibung von dem Mountainbikefahrer kann ich mir leider nicht mal ansatzweise merken, aber „instinktive Orientierung“ das kriege ich schon hin und biege irgendwann einfach nach Gefühl in Richtung Hauptstraße ab. Der Weg wird schlechter und schlechter bis ich mein Rad über schon lange nicht mehr benutzte und schon fast wieder zugewachsene Forstwege schiebe. „Irgendwo muss der Weg aus dem Wald führen und auf der Straße auskommen!“

Aus dem Wald führt er auch, aber ich komme hinter einem großen Kornfeld raus und kann die Straße weit, weit vor mir erkennen. Mit dem Rad jetzt eine Schneise durch das Feld zu schlagen erspare ich mir zumal ich nicht weiß, ob ich am Ende wirklich auf die Straße komme oder ob sich dort noch weitere Hindernisse in meinen Weg legen. Ich schiebe also mein Rad zurück durch den Wald und verbuche diesen Orientierungsfehler nach ca. zwei Stunden mit völlig zerkratzten Beinen als lehrreiche Erfahrung und netten Ausflug in den Wald. Wirklich ärgern tue ich mich nicht, es klappt halt nicht alles beim ersten Mal. Jedenfalls werde ich weiterhin einiges in Kauf nehmen, um Hauptstraßen zu vermeiden.

Nächtliche Störungen: 

Im Moment fahre ich immer so bis um 20:00 Uhr und wenn ich dann ein Hinweisschild zu einem Campingplatz sehe steuere ich diesen an. Wenn ich keinen Platz finde fahre ich noch eine Stunde länger und suche mir ein ruhiges Plätzchen zum Schlafen. Campingplätze gibt es hier reichlich, aber meine Rechnung geht trotzdem nicht ganz auf, weil die meisten im Moment noch geschlossen haben. So auch der in Noyers, ein sehr außergewöhnlicher alter und schöner Ort, den ich nur ansteuere, weil ich einem Campingplatzschild folge und den ich bei Einbruch der Dunkelheit erreiche. Der Campingplatz ist auch bald gefunden, aber leider geschlossen… und abgeschlossen. Also dicht, Mauer drum herum und großes Stahltor davor. Da ist nichts zu machen. Auf der Wiese davor ist Platz und ich mag wirklich nicht mehr weiterfahren. Also warte ich bis die „Parkbesucher“ die hier mit ihren Kindern Fussball spielen bzw. sich in kleinen biertrinkenden Grüppchen versammelt haben, verschwunden sind. Als Ruhe eingekehrt ist stelle ich mein Zelt auf. Ich lege mich noch eine Weile draußen auf meine Isomatte und schaue in die Sterne……

Plötzlich weckt mich ein Brummen direkt hinter meinem Kopf. Ich schrecke hoch, bin wohl eingeschlafen und blicke mich um. Hinter mir ist etwas. Etwas ist klein, rund, schwarz… und brummt. Ein Igel! Was brummt der denn so? Schüttelt der sich? Egal, der Igel läuft weiter und ich lege mich wieder hin.

… zum Schlafen komme ich nicht mehr. Fliegen, Ameisen, Mücken oder Spinnen krabbeln mir über den Kopf, über die Haare, durch das Gesicht. Verdammt noch mal! Wo kommen denn so plötzlich derart viele Krabbelviecher her und wieso werde ich die nicht los. Abwischen bringt rein gar nichts….

Ahhhh! Nein! Das sind Flöhe. Igel haben Flöhe, die hat er abgeschüttelt oder die sind halt rübergesprungen…. Jetzt bin ich wach!

Gut, dass keiner hier ist und es ist auch schon dunkel. Ich ziehe mich aus, schüttel meine Kleidung aus, schüttel mir die Viecher aus den Haaren und wasche mich mit dem wenigen Wasser, dass ich noch habe. Abgesehen von ein paar eingebildeten Flöhen bin ich alle losgeworden und kann weiterschlafen. Nicht ohne nachzuschauen, wo der brummende Igel gerade steckt und in welcher Richtung der unterwegs ist.

Gebäckträger

Biwak am Waldrand

Biwak im Wald

Camp bellevue

16.06.2010 – 27.06.2010

Xanten -> Bonn -> Koblenz -> Trier -> Wasserbillig -> Luxemburg (Stadt) -> Wasserbillig

900 km

Sonne, Sonne, Sonne….. eigentlich ist mir viel zu warm

Nach einem sehr sportlichen Tag, 183 km von Xanten nach Bonn – das ist neuer persönlicher Tagestourlangstreckenrekord! – begleitet mich Sandra, die ich nach der Loiretour auf der Rückfahrt aus Frankreich im Zug kennengelernt habe und die praktischerweise in Bonn wohnt, bis zur Luxemburgischen Grenze. Sandra fährt ihre Touren normalerweise allein, sehr sportlich und ist in den letzten Jahren reichlich die deutschen Flüsse und Küsten abgefahren. Gezeltet hat sie bisher noch nicht, möchte es aber gerne mal versuchen. Wir fahren gemütlich, ihr fast etwas zu gemütlich, reden viel, genießen die Tour, die wunderschöne Landschaft an der Mosel und kochen gut und lecker.

Fazit: Betreutes zelten hat ihr gut gefallen und sie wird ihre nächste Solotour mit neuem eigenen Zelt fahren. Für mich war das ein toller Start in diese Tour. Jetzt geht es wieder alleine weiter.

Luxemburg, dieses kleine Land, das sich mir hier überraschenderweise in den Weg legt möchte ich nicht ganz ungesehen passieren und starte erstmal spontan zu einer Luxemburg-Rundfahrt.

In Luxemburg spricht man luxemburgisch. Ist vielleicht eine peinliche Wissenslücke aber ich erfahre das erst hier. Die Luxemburger sprechen fast alle und fast akzentfreies deutsch und französisch. Ortschilder sind in französich und luxemburgisch, Hinweisschilder in französisch und deutsch.

MiniMini Wortschatz luxemburgisch:

Mojen = Guten Tag

Merci = Danke

Äddi = Auf Wiedersehen

Mit  diesem Vokabular, und auch ohne, kommt man gut durch das hügelige Land. Meine Tour bewegt sich ungefähr zwischen 180 und 540 Höhenmetern durch Felder und Wälder und freundliche, angenehme kleine Orte.

Mein Frontscheinwerfer bricht ab. Ganz plötzlich und ohne erkennbaren Grund baumelt er am Stromkabel herunter. Der Hinterreifen bekommt einen Riss, der dann auch kurz darauf einen Platten verursacht und meine Speichen plingen und klicken wie eine Spielorgel. Ich besorge mir einen neuen Scheinwerfer, flicke den Reifen provisorisch mit einem Schlauchflicken von innen, da ich keinen passenden Ersatz finde und beende die mich begleitende Spielorgelmusik durch Ölen der Speichenösen.

Jetzt mache ich mich auf den Weg nach Frankreich.

Äddi Luxemburg, vielleicht komme ich noch mal vorbei. Die Leute sind freundlich, das Bier ist lecker, die Landschaft ist schön und es gibt einen sehr schönen Campingplatz bei Echternach in der Nähe von einem kleinen See.

Bin wieder startklar

Wegweiser

Durch die Hörner geschaut

Am Rhein, kurz vor Düsseldorf

Fernsehturm Düsseldorf

Strandpause in Düsseldorf

neuer persönlicher Tagestourlangstreckenrekord

Am Rhein

Sandra

Waschtag

Die Mosel

In Ernst, Im Ernst

Schwan

Schwanenküken

Man beachte den Koffer auf dem Gepäckträger

an der Mosel

Sandra

Hmmmm

Luxemburgisches Bier

Abendessen

Es gibt Pfannkuchen mit Holunderblüten

Biwak am Waldrand

In Mersch (Luxemburg)

In Mersch (Luxemburg)

Luxemburg Stadt

Luxemburg Stadt

Luxemburg Stadt

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